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Von der Fachkonferenz „Content World 2016“ in Frankfurt/Main

Zwei Weltkonzerne, zwei Mal Community Building: Ikea will in erster Linie Mitstreiter gewinnen, die Daimler-Tochter Mercedes vor allem Mitfahrer. Dies hört sich zunächst zwar ganz ähnlich an, doch stehen dahinter unterschiedliche Strategien.

Schon seit vier Jahren versucht Ikea, weltweit Communities aufzubauen. Im Dezember 2014 hat der schwedische Möbelriese zu diesem Zweck in Deutschland das Projekt „hej.de – das begehbare Wohnmagazin“ ins Leben gerufen. Dabei geht es nicht nur ums Wohnen, sondern auch um das Leben überhaupt. Zumindest um praktische Tipps für verschiedene Lebenslagen. Im Mittelpunkt stehen freilich „Einrichtungsideen“ und „Wohnlösungen.“ Und zum Mithelfen und Mitmachen sind alle Ikea-Fans und –Kunden aufgerufen.

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Ikea bietet zwar eigene Inhalte, setzt aber bei hej auch sehr stark auf User-Generated Content. Foto: Screenshot

Konkret sieht das so aus, dass sich im Geiste des guten, alten Forum-Konzeptes Nutzer gegenseitig mit Do-It-Yourself-Tipps zur Seite stehen. Es bedeutet aber auch, dass die für Ikea tätige Agentur Razorfish bisher rund 200 Ikea-Kunden „Hausbesuche“ abgestattet hat – auf deren Einladung natürlich. Mit den Home Stories im Foto/Text- wie im Videoformat soll gezeigt werden, was mit den Ikea-Produkten im häuslichen Einsatz alles gemacht werden kann. Und wie sie jenseits der Hochglanz-Kataloge aussehen.

15.000 Community-Mitglieder = 15.000 Influencer?

Eine weitere Komponente der Ikea-Strategie: In Frankfurt am Main hat das Unternehmen ein 100 Quadratmeter großes „Content Studio“ eingerichtet. Hier arrangieren die Razorfish-Mitarbeiter in 15 Videos pro Monat skandinavische Möbelstücke in einem Wohn- und Esszimmer, in einer Küche sowie in einem Korridor hin und her – auch hier wieder unter Mitwirkung der Community. „Co-Creation“ nennt Ikea diesen Prozess. Bisher hat der Konzern mit seinem Konzept 15.000 Community-Mitglieder werben können. Gemessen an den 200 Millionen Besuchen auf der Ikea-Homepage pro Jahr eine verschwindend geringe Zahl. „Doch unser Ziel ist es, aus diesen Community-Mitgliedern Partner und Mitstreiter für uns zu machen“, erklärt Christian Möhring, Digitalchef von Ikea Deutschland, das Konzept auf der „Content World 2016“. Neudeutsch bezeichnet man diese Gruppe wohl als Influencer.

Eine weitere Stoßrichtung besteht darin, Alternativen zur klassischen Werbung zu entwickeln. Das ist bei Mercedes nicht anders, allerdings sehen hier die Methoden auch deutlich anders aus. So nutzt die Marketing-Abteilung des schwäbischen Autobauers die Plattform Instagram sehr intensiv. Fotos wie auch Videos – „visual stroytelling“, heißt die Devise. Aber auch: „Instagram first!“ Sechs Mal am Tag postet Mercedes neuen Content auf der Plattform, erst danach wird dieser auf anderen digitalen Kanälen ausgespielt.

Mercedes beschreitet neue Wege beim digitalen Marketing: Managerin Gesina Schwengers auf der Content World 2016. Foto: Frühbrodt

Mercedes beschreitet neue Wege beim digitalen Marketing: Gesina Schwengers auf der Content World 2016. Foto: Frühbrodt

Die Ansätze dabei variieren sehr stark. Teils posten Mitarbeiter des Konzerns Fotos, teils kuratiert Mercedes User-Generated Content von Fans und Kunden. Die erfolgreichsten Bilder sind dabei kurioserweise welche von Autoschlüsseln der Marke.  Es „arbeiten“ aber auch 250 Fotografen und (Video-)Blogger für den Konzern. Mercedes zahlt diesen jedoch keine hohen Honorare. „Es gibt nur Benzin und Fame“, sagt Gesina Schwengers, Managerin für digitales Marketing bei Mercedes.

„Nur Benzin und Fame“

Die tourenden Fotografen und Filmer können unter dem Markendach des Autobauers Aufmerksamkeit auf sich ziehen, die sie in diesen quantitativen Ausmaßen sonst nicht bekämen. So habe zum Beispiel Andre Joselin einen beeindruckenden Road Trip durch Kalifornien bei Mercedes veröffentlicht. Werbebilder und Videos würden zwar noch vor dem Start groß angelegter Kampagnen auf der Fotoplattform gepostet. Doch insgesamt stammen nur noch fünf Prozent der Instagram-Inhalte bei Mercedes aus der klassischen Werbung. „Für unsere Instagram-Aktionen steht uns nur ein Bruchteil des Mediabudgets zur Verfügung“, verrät Marketing-Managerin Schwengers. „Wir brauchen aber auch gar nicht so viel. Und so können wir auch die klassischen Media-Agenturen unter Druck setzen.“ Was übersetzt wohl heißt: Mercedes will nicht mehr so viel Geld für klassische Werbung ausgeben und so seine Kosten senken.

Die Kommunikationsziele entsprechen dem klassischen Content Marketing: Zum einen will Mercedes für Aufmerksamkeit sorgen, was mit fast 11 Millionen Followern sicher gelingt. „Alle reden über unsere Marke“, erzählt Gesina Schwangers stolz. Die Hälfte des Auto-Traffics auf Instagram habe auf die eine oder andere Weise mit Mercedes zu tun. Zum anderen will der oft etwas bieder wirkende Konzern ein neues Image kreieren. „Wir wollen zu einer ‘love brand‘ werden, die Träume verkauft“, verkündet Schwengers auf der „Content World 2016.“

© Die Zweite Aufklärung 2016 (Titelfoto: Magdal3na/Fotolia)

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Prof. Lutz Frühbrodt

Lutz Frühbrodt ist seit 2008 Professor für "Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation" an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Zahlreiche Veröffentlichungen zu kommunikations- und wirtschaftspolitischen Themen. Spezialgebiet Mediensoziologie. Zuvor ein knappes Jahrzehnt Wirtschaftsreporter bei der "Welt"-Gruppe - als Teilstrecke seines Marsches durch die Institutionen. Promotion als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität in seiner Heimatstadt Berlin. Volontariat beim DeutschlandRadio Kultur.