30.05.2014 – Wenn Unternehmen ihren Ruf verbessern wollen, dann beauftragen sie Public-Relations-Spezialisten. Die PR-Berater sollen helfen, die Beziehungen zwischen dem Unternehmen und seinen Bezugsgruppen positiv zu gestalten und das Unternehmen in der Öffentlichkeit gut dastehen zu lassen. Die Ironie dabei: Die PR-Branche hat selbst nicht unbedingt den besten Ruf. Das erklärt sich aus ihrer Geschichte und aus Praktiken, die eher auf Manipulation als auf ehrlichen Dialog setzen.

Der Schuster trägt die schlechtesten Schuhe. Dasselbe Prinzip gilt für die PR-Branche. Foto: Dieter Schütz / pixelio.de

So wie es vom Schuster heißt, er trage selbst die schlechtesten Schuhe, hat die PR-Branche oft mit Imageproblemen und Vorurteilen zu kämpfen. Journalisten bespötteln sie vergleichsweise freundlich, wenn sie schlecht geschriebene Pressemitteilungen zu nichtigen Anlässen produziert. Massiver ist der Vorwurf, PR betreibe Schönfärberei oder zünde Nebelkerzen, um in der Öffentlichkeit ein rosarotes Bild von ihrem Auftraggeber zu zeichnen, das mit der hässlichen Wirklichkeit nichts zu tun hat. Und wenn PR im Schulterschluss mit „Public Affairs“, auf gut Deutsch: Lobbyismus, daherkommt, dann denken viele an geheime Strippenzieherei und an finanzstarke Wirtschaftsvertreter, die sich Politiker mit großzügigen Einladungen gewogen machen. Die PR-Branche hat damit nicht gerade die besten Voraussetzungen, um für sich oder ihre Kunden in der Öffentlichkeit um Vertrauen und Ansehen zu werben.

 

Ethik-Kodizes: PR für die PR

Die Branche selbst, deren Vertreter auch gerne unter der dynamischeren Bezeichnung „Kommunikationsmanager“ auftreten, sieht sich freilich ganz anders. Verschiedene PR- Interessensverbände legen sich eifrig für die positive Imagegestaltung ihrer Branche ins Zeug. In ihren Kodizes beschwören sie, die Interessen von Auftraggebern und Öffentlichkeit gleichermaßen zu berücksichtigen, die Unabhängigkeit der Medien ebenso zu respektieren wie die selbständige Urteilsfähigkeit ihrer Bezugsgruppen (Kunden, Lieferanten, Anwohner, Investoren etc.) und ihre Tätigkeit offen und transparent, niemals verdeckt auszuüben. Sie verwahren sich dagegen, die Wahrheit subjektiven Interessen unterzuordnen oder ihr Gegenüber zu manipulieren.

Nach Definition des Deutschen Rat für Public Relations ist es die Aufgabe der PR, der Gesellschaft (und den Medien) kontinuierlich Informationen der von ihnen vertretenen Organisationen zu übermitteln und mit den gesellschaftlichen Gruppen im kommunikativen Austausch zu stehen. Im Gegensatz zur Werbung rückt PR also die Organisation / das Unternehmen in den Mittelpunkt, nur indirekt dessen Produkte und Dienstleistungen. Sie lebt von langfristiger Beziehungspflege mit den Bezugsgruppen und Medienvertretern, vernünftigen Argumenten und davon, auch einmal zuzuhören und das Gegenüber ernst zu nehmen. So zumindest die Theorie.

 

PR auf dem Vormarsch, Journalismus im Rückzug

Hier die die öffentliche Kritik an Schönfärberei und Käuflichkeit, dort der Anspruch von ehrlich gemeinter Beziehungspflege – die Kluft scheint nicht gerade klein. Und sie wirkt umso tiefer, als in der heutigen Medienlandschaft unternehmensbezogene PR eine größere Rolle als jemals zuvor:

  • In den letzten 20 Jahren hat sich die Zahl der PR-Berufstätigen verfünffacht und liegt heute bei etwa 50.000, es sind zahlreiche Hochschul-Studiengänge für die PR-Ausbildung entstanden.
  • Die Spannbreite der Tätigkeiten hat sich vergrößert: Wo es früher nur einen Pressesprecher gab, existiert heute in größeren Unternehmen eine Abteilung „Kommunikation“ mit Mitarbeitern zum Beispiel für Messen, Online-Redaktion, Social Media, Corporate Publishing (Kundenzeitschriften und ähnliches), Unternehmensvideos, Corporate Social Responsibility (CSR), interne Kommunikation, Employers Branding und so weiter.
  • Unternehmen und Organisationen sind viel weniger als früher auf Journalisten angewiesen, um sich eine Öffentlichkeit zu verschaffen. Websites, Blogs, Twitter, Social-Media-Präsenzen nehmen einen großen Teil der Medienlandschaft ein.
  • Den rund 50.000 PR-Berufstätigen steht aktuell eine etwa ebenso große Zahl von Journalisten gegenüber, deren Zahl aber kontinuierlich abnimmt. Insbesondere die Print-Medien und der Qualitätsjournalismus stehen unter starkem ökonomischen Druck. Es gibt also immer weniger Journalisten, die die Produkte unternehmenseigener PR in der Öffentlichkeit einordnen, kritisch analysieren und ggf. auch richtigstellen – und auch einmal von sich aus unliebsame Themen auf Tapet bringen.

Die Konsequenz all dieser Entwicklungen: Unabhängiger Journalismus nimmt ab, interessensgeleitete Kommunikation bricht sich Bahn. Regionalzeitungen beispielsweise drucken heute deutlich mehr Pressemitteilungen von Unternehmen unverändert ab als noch vor 15 Jahren. Traditionell gelten die Ressorts Autos und Reisen als besonders anfällig für PR-Einfluss, heute geht dieser aber quer durch alle Redaktionen. Diese Schwächung des Journalismus kann man bedauern, aber der Trend wird sich auf absehbare Zeit kaum umkehren lassen. Umso wichtiger ist es daher, den oben beschriebenen Vorurteilen gegen die PR auf den Grund zu gehen, nach ihren Ursachen und auch nach ihrem Wahrheitsgehalt zu fragen.

 

Das PRbe aus den USA

Können diese Augen lügen? Ja! Ivy Lee. Foto: Wikicommons

Maßgebliche Impulse und Einflüsse für die PR in ihrer heutigen Ausgestaltung kamen und kommen aus den USA. Der US-amerikanische Journalist Ivy Lee (1877 – 1934) und der Sigmund-Freud-Neffe Edward Bernays (1891 – 1995) begründeten die PR im heutigen Sinne. Ivy Lee eröffnete 1904 eine der ersten PR-Agenturen der USA und betätigte sich vor allem in der Krisenkommunikation: Er lancierte positive Berichte über eine Eisenbahngesellschaft, die wegen rigider Sparmaßnahmen auf Kosten der Sicherheit in der Kritik stand. Als das Rockefeller-Imperium Streiks seiner Arbeiter blutig niederschlug und daraufhin gravierende Imageprobleme bekam, erfand Lee das Instrument der Home Story, um den Rockefeller-Chef von einer ganz privaten, scheinbar liebenswürdigen Seite zu zeigen.

Abertausende wahlkämpfende Politiker sind ihm noch heute für diese Erfindung dankbar. Einige entwickeln sie auch für ihre Zwecke weiter, wie der Ex-Verteidigungsminister Karl Theodor von Guttenberg bei seinem Afghanistan-Besuch im Dezember 2010 – begleitet von der blonden Ehefrau, dem Talkshow-Plauderer Johannes B. Kerner und einem riesigen Kamerateam. Solche Inszenierungen machen die Komplexität bestimmter Themen schnell vergessen und ebnen dem Leser / Zuschauer den Weg zur schnellen, unreflektierten Meinungsbildung. Denn hier ging es nicht darum, über den Krieg in Afghanistan, dessen Gefahren und Sinnhaftigkeit zu informieren. In erster Linie sollte es menscheln – um für den Einsatz der Bundeswehrtruppen und nicht zuletzt für ihren obersten Dienstherren Bewunderung einzufordern.

Die Zigarette in Frauenhand – wirklich eine „Fackel der Freiheit“? Foto: Christian Seidel/pixelio.de

Zurück zu den Wurzeln: Edward Bernays betrieb nicht nur praktische PR – indem er zum Beispiel das bislang für Frauen verpönte Rauchen salonfähig machte und die Zigarette in Frauenhand als „Fackel der Freiheit“ deklarierte –, er untermauerte sein Verständnis von Public Relations auch mit seinen Werken „Crystalizing Public Opinion“ (1923) und „Propaganda“ (1928). In seinem Buch mit dem bezeichnenden Titel „Propaganda“ richtete er seinen Fokus auf die Massenpsychologie und formulierte:

Wenn wir den Mechanismus und die Motive des Gruppendenkens verstehen, wird es möglich sein, die Massen, ohne deren Wissen, nach unserem Willen zu kontrollieren und zu steuern.

Dieses Statement beschreibt auf bemerkenswert nüchterne Art die Manipulation von Menschen, verbunden mit einer grenzenlosen Hybris. Manipulation aber bedeutet immer Ablenkung und verdeckte Einflussnahme; man will einen einzelnen und eine Gruppe steuern und setzt dafür Mittel ein, die diesen verborgen bleiben sollen. Warum sollen sie verborgen bleiben? Weil die Menschen merken könnten, dass in Wirklichkeit die idyllisch aufgemachte Homestory eines Rockefeller seine rüden Geschäftspraktiken kein Stück besser macht. Zum Beginn des 20. Jahrhunderts, als die gesellschaftlichen Hierarchien noch sehr viel strenger waren, eine klare Vorstellung von Oben und Unten herrschte und Macht auch ohne Legitimation auskam, mögen solche Denkweisen gepasst haben. Aber heute?

 

Heiligt der Zweck der Mittel?

Für Bernays und Lee heiligte der Konsum-Zweck die Mittel: Um immer neue Waren und Dienstleistungen zu verkaufen, mussten bei den Menschen eben immer neue Bedürfnisse geweckt werden. Heute, knapp 100 Jahre später, kann man konstatieren: Je mehr Kapitalismus, desto mehr PR (und Werbung). Wo zwanzig Waschmittelprodukte (PKWs, Smartphones, Turnschuhe) nahezu identischen Inhalts auf dem Markt sind, werden kommunikative Abgrenzungsmerkmale der einzelnen Marken und Hersteller umso wichtiger. Marken konkurrieren nicht nur über die jeweiligen Produkteigenschaften, sondern vor allem über ihr Image, das wesentlich von Kommunikationsexperten der PR- und Marketingabteilungen geschmiedet wird.

Die US-amerikanischen Ursprünge legten also ein Grundmuster fest für eine PR-Auffassung, die kreativ, unterhaltsam und oft auch effektiv daherkommt, aber ihre Zielgruppe lieber austrickst, als sie als mündige Wesen zu adressieren. Lee und Bernays quälten sich also nicht mit der Frage, was PR darf, welche Beeinflussungen ihr erlaubt sind, für welche Ziele sie sich einspannen lässt und für welche nicht.

Werbung und Unternehmens-PR gingen von vornherein ineinander über, und auch heute fällt es nicht immer leicht, die beiden Bereiche sauber voneinander zu trennen. „Advertorials“ – Werbebotschaften eines Unternehmens, die wie ein redaktioneller Beitrag wirken sollen – sind ein klassisches Beispiel dafür. Und gerade in Fachzeitschriften haben es Unternehmen oft leicht, redaktionelle Beiträge über ihre neuen Produkte zu lancieren, ohne dass eine neutrale Qualitätskontrolle stattfindet.

PR und Werbung sollten immer sauber voneinander getrennt bleiben. Eine PR, die sich die werbliche Manipulation à la Bernays und Lee von vornherein auf ihre Fahnen schreibt, neigt auch zu Verfälschungen und Lügen. Im 21. Jahrhundert erscheint eine solche Auffassung weder zeitgemäß noch sympathisch – und kann sogar sehr kontraproduktiv wirken. Denn wenn die Trickserei ans Licht kommt, ist der Schaden umso größer, der PR-Gau perfekt. Der ADAC, dessen gefälschte Mitgliedervoten im Januar 2014 ans Licht kamen, würde dies auf Nachfrage sicher gern bestätigen. Es wird noch einige Zeit dauern, bis sich der ADAC von diesem Imageschaden erholt hat.

 

It’s not only the economy, stupid!

Gefördert wird die Tendenz zu einer werblichen und damit manipulativen PR, wenn Unternehmensführungen die PR von vornherein unter zu großen, ökonomisch messbaren Erfolgsdruck setzen, sprich: die Erwartung herrscht, dass sich die Investitionen in das PR-Budget unmittelbar in mehrfacher Höhe durch gestiegenen Umsatz auszahlen. Eine redliche PR wird damit nicht gefördert.

Der Erfolg von PR ist nicht allein in Euro und Cent zu bemessen. Es geht quantitativ um Presseclipping, Reichweitenermittlung, Website-Visits, Facebook-Fans, Twitter-Follower, Umfragefeedback etc. und qualitativ um Bekanntheit, Image, Reputation, Vertrauen. All diese Faktoren helfen dem Unternehmen natürlich auch auf lange Sicht, wirtschaftlich erfolgreich zu sein. In erster Linie zielen sie jedoch auf die Glaubwürdigkeit des Unternehmens ab, das sich als Teil der Gesellschaft bewähren muss.

Ehrliche Überzeugungsarbeit dauert länger, als jemanden zu einem schnellen Kauf zu überreden.  Aber ehrliche PR stellt die notwendige Voraussetzung dar, um Kunden langfristig an ein Unternehmen zu binden, ihm in der Öffentlichkeit einen guten Ruf zu geben, öffentlich ausgetragenen Krisen vorzubeugen. Bernays Allmachtsphantasien haben hier keinen Platz. Es braucht ein offenes Visier und großen Respekt gegenüber Medien und Öffentlichkeit. Gegenüber den Bürgern und jeden Einzelnen.

Annette Floren

Wie Alternativen aussehen, lesen Sie in unserem Essay „So geht saubere PR“.

© Die Zweite Aufklärung 2014

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