Print Friendly, PDF & Email

Längst haben auch Unternehmen Podcasts als effektives Mittel der Kommunikation für sich entdeckt. Eine Analyse der 30 im DAX notierten Unternehmen zeigt, dass die Hälfte Corporate Podcasts betreibt und vorrangig auf ernste Themen wie Innovation und Nachhaltigkeit setzt. Dabei bevorzugen die Konzerne das sachliche Gespräch, um ihre Stakeholder zu erreichen. Es wird aber auch deutlich, dass sie das Stadium des Experimentierens noch nicht völlig hinter sich gelassen haben.

Neben Smartphones gehören Smart Speaker zu den bevorzugten Empfangsgeräten für Podcasts. Foto: Deutsche Telekom (auch Titelbild)

Podcasting boomt. Dies zeigen immer wieder Umfragen wie zuletzt die Studie von Goldmedia. Unter den Nutzern* ist vor allem Comedy angesagt, aber auch Wissen und Information sind gefragt. Offenbar wollen deshalb auch viele Unternehmen den Podcast-Trend für sich nutzen, zumal die Produktionskosten vergleichsweise gering sind. Die Zweite Aufklärung hat in der ersten Septemberhälfte 2020 eine Internet-Recherche bei den Unternehmen des Deutschen Aktienindex (DAX) durchgeführt. Das Ergebnis: 15 der 30 größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands betreiben einen oder mehrere eigene Podcasts (PC).

Die andere Hälfte der Konzerne hat keinen PC oder aber hat einschlägige Aktivitäten wieder eingestellt. So z.B. der Sportartikelhersteller Adidas, dessen Fitness-PC „Runtastic“ nur zwischen Juli und Oktober 2019 lief. Auch von den 15 „PC-aktiven“ DAX-Konzernen haben viele einzelne PC wieder gestoppt, teilweise allerdings auch, weil es sich um themenbezogene Staffeln handelte. Infineon ist der Pionier unter den Corporate Podcastern. 2007 ist der Münchner Halbleiterhersteller gestartet, hat seine PC-Aktivitäten aber bereits zwei Jahre später wieder gestoppt. Bis heute. Mehr Durchhaltevermögen zeigt die BASF: Ihr „Chemie Reporter“ ist bereits seit 2009 mit über 100 Folgen auf Sendung.

Corporate Podcasts und Content Marketing

Corporate Podcasts sind PC, bei denen ein Unternehmen als Produzent fungiert und der PC auch offiziell und deutlich erkennbar unter dem Banner des Unternehmens läuft. Es geht also nicht um gesponserte oder „unterstützte“ PC. Corporate Podcasts sind Teil der Unternehmenskommunikation und damit meist auch der Content-Marketing-Strategie des Konzerns. Content Marketing wird gemeinhin als „Werbung mit redaktionellen Mitteln“ verstanden, bei der Unternehmen weniger über ihre Produkte selbst kommunizieren, sondern sich in verwandten Themenfeldern bewegen. Bei einigen der untersuchten Podcasts ließe sich von Gattungsmarketing sprechen, wenn z.B. bei Heidelberg Cements „BETONt“ über die Vorzüge bestimmter Baustoffgruppen sinniert wird.

Content Marketing kann informierend, unterhaltend, beratend oder alles gleichzeitig sein. Bei den untersuchten DAX-30-Podcasts fällt auf, dass sie in erster Linie informierenden Charakter haben. Im Vordergrund steht das sachliche, moderierte Gespräch mit ein bis zwei Experten* zum jeweiligen Thema. Die Studiogäste kommen nicht immer aus dem eigenen Haus, mindestens genauso stark vertreten sind externe Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Häufig sind auch Experten* aus der Wissenschaft oder von Think Tanks gefragt. Die PC sind fast durchweg hochwertig produziert – in hervorragender Tonqualität, versehen mit Radio-Elementen wie Jingles und Hintergrundmusik sowie last but not least mit professionell und journalistisch agierenden Moderatoren*.

Federführend bei Corporate Podcasts: Telekom – Siemens – Volkswagen

Federführend ist die Deutsche Telekom mit elf Podcasts, gefolgt von Siemens (9) und Volkswagen (8), wobei bei VW vor allem die einzelnen Konzernmarken aktiv sind, zuvorderst Porsche mit allein drei PC. Während auch die anderen DAX-notierten Autohersteller BMW und Daimler recht umtriebig sind, haben die großen Konsumgüter-Konzerne Beiersdorf und Henkel überraschenderweise keine PC in ihrem Kommunikations-Portfolio.

Explizit gesellschaftspolitischen Charakter haben nur wenige Corporate Podcasts, darunter „Digitale Zivilcourage. Aktiv werden und Position beziehen gegen Hass im Netz“ der Deutschen Telekom. Das an sich lobenswerte Projekt ist allerdings nur über die Webseite des Bonner Konzerns erreichbar. In einigen Fällen haben die PC einen wirtschaftspolitischen Einschlag wie etwa bei „Podzept“, dem PC der Research-Abteilung der Deutschen Bank. Hier spricht ein Moderator aus der DB-Unternehmenskommunikation mit Mitgliedern aus der DB-Research-Abteilung über aktuelle volkswirtschaftliche Themen, zum Beispiel über die Erwartungen an die EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands.

In vielen Fällen stammen die Themen aus den Bereichen Innovation und Nachhaltigkeit. Dies steht im Einklang mit Ergebnissen einer Untersuchung von Lutz Frühbrodt aus dem Jahre 2016: Demnach setzten viele DAX-Konzerne bei ihrem Content Marketing mit Themen-Webseiten, Online-Magazinen und Videos genau auf diese Themenfelder. So betreibt die Truck-Sparte von Daimler den PC „Transportation Matters“, bei dem über die Zukunft des Gütertransports diskutiert wird, wodurch auch fast zwangsläufig Aspekte der Nachhaltigkeit mit ins Spiel kommen. Es handelt sich übrigens um einen der wenigen PC, bei denen ein Topmanager als Gastgeber und Moderator fungiert. Martin Daum, Chef der Truck-Sparte und Vorstandsmitglied der Daimler AG, pflegt mit hochrangigen Gästen – teilweise selbst Top-Manager – in Form und Stil ein Gespräch, bei dem Zahlen und Argumente im Vordergrund stehen.

Gepflegter Talk: Spotify-Screenshot des Daimler-Podcasts „Transportation Matters“.

Vereinzelt sind die Zielgruppen etwa durch den Zuschnitt des PC auf Mitarbeiter* und Partner* eng definiert, so etwa beim „Allianz Makler Podcast“ oder bei „7 Minuten – Die Woche bei Vonovia“. Meist sind die Corporate PC jedoch so angelegt, dass sie potentiell alle Stakeholder adressieren: Vom möglichen oder tatsächlichen Kunden* über Mitarbeiter* und Kooperationspartner* bis zu Medien und Investoren*, dabei wohl eher Kleinaktionäre*. Einige PC weisen auflockernde, spielerische Elemente auf wie das z.B. das Beenden eines Moderatoren*-Satzes durch den Gast. Die große Mehrheit hat jedoch einen betont sachlichen Charakter und dürfte deshalb weniger geeignet sein, jüngeres Publikum anzusprechen.

Einige PC führen die Unternehmen englischsprachig, um als global agierender Konzern über Deutschland hinaus Reichweite zu erzielen. Apropos Reichweite: Die meisten Konzerne platzieren ihre PC auf den großen Streaming-Plattformen Spotify und Apple Podcasts, viele auch auf Google Podcasts, Deezer und Stitcher. Vergleichsweise selten wird dagegen YouTube genutzt, das nicht nur als Video- und Musikplattform dient, sondern auf dem mittlerweile auch massenhaft PC hochgeladen werden.

Fazit: Corporate Podcasts sind am besten für „Corporate Citizens“ geeignet

Fazit: Jeder zweite DAX-Konzern nutzt Corporate Podcasts als Kommunikationsinstrument. Man könnte aber auch sagen: Das Glas ist nur halbvoll. Dass noch experimentiert wird, zeigt sich daran, dass viele der aktiven Unternehmen rund ein Viertel ihrer PC nach ein paar Folgen wieder eingestellt haben. Nicht immer, weil es sich um in sich geschlossene Staffeln handelte, sondern offensichtlich auch aus anderen Gründen, möglicherweise weil nicht die erwartete Reichweite erzielt wurde.

Der derzeitige Podcast-Boom muss zwangsläufig zu einem Überangebot führen, bei dem es Unternehmen besonders schwer haben, sich beim Publikum Gehör zu verschaffen. Dabei haben sie mit dem alten Glaubwürdigkeitsproblem zu kämpfen. Die Corporate Podcasts weisen aber vor allem immer dann einen hohen Informationswert auf, wenn zumindest weitgehend sachlich-neutral über gesellschaftsrelevante Themen debattiert wird. Unternehmen, die sich weniger als „Corporate Citizen“ verstehen und allein Interesse am Verkauf ihrer Produkte haben, werden in Corporate Podcasts verständlicherweise keinen großen Mehrwert erkennen.

© Die Zweite Aufklärung 2020

Previous post

Wie berichtet man über eine Bilanz-PK?

Next post

Hartmut König: Der singende Funktionär (Teil 2)

Prof. Lutz Frühbrodt

Lutz Frühbrodt ist seit 2008 Professor für "Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation" an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Zahlreiche Veröffentlichungen zu kommunikations- und wirtschaftspolitischen Themen. Spezialgebiet Mediensoziologie. Zuvor ein knappes Jahrzehnt Wirtschaftsreporter bei der "Welt"-Gruppe - als Teilstrecke seines Marsches durch die Institutionen. Promotion als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität in seiner Heimatstadt Berlin. Volontariat beim DeutschlandRadio Kultur.

1 Comment

  1. […] kleine Studie über Corporate Podcasts erstellt und die wichtigsten Ergebnisse auf der Webseite Die Zweite Aufklärung veröffentlicht. Aber auch das Medienportal Turi2 und der PR-Report haben darüber […]

Leave a reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert