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24.1.2014 – Markus Lanz ist Sahra Wagenknecht in seiner Talk-Sendung unfair und dumpf angegangen – jetzt ist der Moderator selbst ins Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik geraten. Dabei hat Lanz nur das Prinzip auf die Spitze getrieben, das bei fast allen Talkshows zum Tragen kommt: Politisch Andersdenkende abzukanzeln. Steckt dahinter möglicherweise sogar ein öffentlich-rechtlicher Auftrag?

„Was nun? Rein in den Euro oder raus?“ „Sind Sie nun für Europa oder dagegen?“ „Deutschland hat Glück gehabt. Was genau meinen Sie damit? Sagen Sie, was ist für Sie Glück?“ Bei seiner Sendung am späten Abend des 21. Januar erhob sich Markus Lanz zum Großinquisitor gegenüber der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht. Und in Hans-Ulrich Jörges, der eigentlich als Plaudergast und nicht als offizieller Gegenspieler geladen war, fand Lanz einen willigen Verbal-Folterknecht der Wagenknecht. „Das ist doch verantwortungsloser Stuss!“, krakeelte der Stern-Chefredakteur und trat gleich noch mal nach: „Sie kennen die Wahrheit und sagen Sie nicht. Das ist verwerflich!“ Auf gut Deutsch: Wagenknecht sei eine gemeine Lügnerin. Die so Gescholtene nahm es mit überraschend großer Fassung und blieb in der hitzigen Diskussion weitgehend sachlich.

Im Nachgang fallen die meisten Medien über Lanz her und nehmen eine Online-Petition, die angeblich 150.000 Menschen unterstützen, zur Beweisführung ihrer Fundamentalkritik. Spiegel Online degradiert Lanz gar zum „Christian Wulff unter den Moderatoren“, weil er sich auch schon bei „Wetten, dass…“ um Kopf und Kragen geredet habe. Dieses Urteil stellt gewissermaßen die Höchststrafe für Medienschaffende dar, nur ein Goebbels-Vergleich böte noch eine Steigerung.

Sicher, Lanz hat keine gute Figur gemacht und dann ein paar Tage später auch noch eine halbgare Entschuldigung („zu rustikal“) abgegeben. Obendrein ist es nicht das erste Mal, dass er seine Gäste geradezu nötigen will, besondere (er glaubt wohl: schlagzeilenträchtige) Aussagen zu machen. Deshalb sollten die Macher beim ZDF sich in der Tat die ernste Frage stellen, ob ein Moderator dieses Typs in ein öffentlich-rechtliches Programm mit Anspruch auf Seriosität passt.

Dabei sollten sie aber nicht Halt machen. Denn hinter dem Lanz-Wagenknecht-Eklat steckt noch weit mehr, er ist mithin symptomatisch dafür, nach welchem oft identischen Muster TV-Talkshows in Deutschland ablaufen. Nicht alle, aber fast alle Gäste, die nicht zum politischen Mainstream gehören, und abweichende Weltsichten und Meinungen äußern, werden – je nach Moderator – mehr oder weniger harsch abgekanzelt. Was bei Lanz abging, erinnerte von Niveau und Duktus her an die steinzeitliche „Rote Socken“-Kampagne der Union Mitte der Neunzigerjahre. Die Abgekanzelten sind Repräsentanten einer gesellschaftlichen Minderheit – da kann man sich ja Einiges erlauben. Während die Moderatoren sich gegenüber Bundesministern in Ergebenheitsadressen ergehen.

 

Es geht um Lanz, aber auch um Jörges

Immer noch gilt für Journalisten bzw. Moderatoren (auch wenn sie keine ausgebildeten Journalisten sind): Kritisch fragen und auch nachhaken ja, aber niemals grob parteiisch werden – so wie es Lanz vorexerziert hat. An dieses Fairnessgebot sollten sich aber nicht nur der angezählte ZDF-Schönling, sondern alle Jauchs und Maischbergers erinnern. Vom politischen Mainstream abweichenden Meinungen sollten sie mit Respekt begegnen – wobei mit „sie“ die Talker wie auch die Programmmacher gemeint sind. Die Macher sind es, die letzthin ihre Moderatoren in die Verantwortung nehmen müssen. Andernfalls brauchen politische Außenseiter gar nicht erst als vermeintlich willfährige „Opfer“ oder Proporz-Staffage eingeladen werden.

Ein anderer, nicht minder wichtiger Punkt ist in der aufgeregten Debatte aber noch gar nicht erwähnt worden. Die unrühmliche Rolle von Talkshow-Dauergästen wie Hans-Ulrich Jörges. Journalisten wie dieser werden angeblich eingeladen, um ihre fachlich fundierte, kritische, aber stets unabhängige Stimme – gewissermaßen im Namen des Zuschauers – zu erheben. Tatsächlich jedoch ist ein H.-U. Jörges nichts anderes als ein Lautsprecher der politischen Klasse. Was wohl eine zwangsläufige Folge des Umstands ist, dass er in Berlin ständig auf dem Schoß irgendwelcher Politiker sitzt (natürlich nur rein bildlich gesprochen).

Noch schlimmer aber: Der Stern-Chef agiert in den Talkshows vor allem als Werbeträger in eigener Sache, für sein schwer in die Jahre gekommenes Hamburger Boulevardblatt. Der Stern hat Jörges vor ein paar Jahren zum „Chefredakteur für Sonderaufgaben“ und damit zu seinem Außenminister ernannt. Also geriert er sich so marktschreierisch und populistisch wie das Magazin, dessen Brot er isst. Und als GroKo-Schönredner ist er offenbar allzeit bereit, notfalls auch den Wadenbeißer für seine politischen Freunde zu spielen. Als „Shitstorm von links“ hat Jörges die Kritik an der Lanz-Sendung diffamiert. Null Einsicht also.  Nicht nur das Verhalten eines Markus Lanz, auch die Rolle eines Jörges sollte zu denken geben – nicht allein den Programmmachern.    LF

© 2014 Die Zweite Aufklärung

 

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