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13.6.2013 – Weit über 60 Millionen Euro wollen die Parteien in den Bundestagswahlkampf 2013 pumpen. Die SPD mit 23 Millionen Euro am meisten, die Piraten mit 400.000 Euro am wenigsten. Die politisch interessierten und die eher politikfernen Bürger werden durch die mehrmonatige Dauerbeschallung aber nur schwerlich erreicht. Es geht vielmehr darum, ein paar Hunderttausend mäßig Interessierte auf seine Seite zu ziehen. Wie das bei den bevorstehenden Bundestagswahlen funktionieren soll, verrieten die Manager der Werbeagenturen, die für die Parteien arbeiten, auf der Heinrich-Böll-Konferenz „Wahlkampfstrategien 2013“. Eindrücke vom zweiten und letzten Konferenztag.

Blumberry-Chef Lutz Meyer wirbt für die CDU. Er bringt wertvolle Insiderkenntnisse aus der SPD mit.

Vor gut einem Jahrzehnt leitete Lutz Meyer noch das Büro des damaligen SPD-Wahlkampfmanagers Matthias Machnig. Ein paar Jahre später trat er aus der SPD wegen ihres angeblichen Linksrucks aus. Vor zwei Jahren gründete Meyer seine eigene Werbeagentur Blumberry. Und nun darf der ehemalige Genosse die große CDU-Kampagne (Etat max. 20 Mio. Euro; CSU vsl. 9,5 Mio Euro) für die Wahlen im Herbst planen. „Die Union ist die einzig verbliebene Volkspartei“, behauptet Meyer mit Verweis darauf, dass ein Stimmenanteil von mindestens 35 Prozent notwendig sei, um sich für dieses Etikett zu qualifizieren. Die CDU repräsentiere die breite Mitte der Gesellschaft und nicht eine bestimmte Klientel. Deshalb müsse der Wahlkampf der Union auch deutlich anders aussehen als der der „Milieu- und Randparteien“, also aller anderen.

„Die CDU steht für das Austarieren verschiedener Interessen, sie wirbt für den Zusammenhalt der Gesellschaft“, so Meyer. „Die zentralen Fragen lauten: Wer kann dieses Land führen? Wem können die Wähler am meisten vertrauen?“ Dieses Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit müsse vor allem visuell transportiert werden. Er verstehe sich prächtig mit Angela Merkel, lässt der Werber, der nicht gerade durch Selbstunterschätzung auffällt, durchblicken. Dies lasse ihm große Freiheit für Ideen, „die man bisher der CDU nicht zugetraut hätte.“

 

CDU: Schöner Alltag mit Angie

Dabei ist bisher ein Werbespot herausgekommen, den man der CDU durchaus zutrauen würde. „Ein neuer Tag“ zeigt viel junges, aber bürgerliches Familienleben und in Zwischenschnitten das eine oder ältere Gesicht. Botschaft: Auch der Alltag in Merkel-Deutschland ist schön, denn er ermöglicht jedem die persönliche Selbstverwirklichung, ohne dass dabei Sicherheit und Gemeinwohl auf der Strecke bleiben – vorausgesetzt natürlich die Union bleibt am Ruder. „Wir schreiben den Leuten nicht vor, was sie tun sollen“, bringt Meyer die Laisser-faire-Attitüde der Union auf den Punkt. Das Neue, Gewagte? Für Meyer bestand nach eigener Aussage die größte Herausforderung darin, einen passenden Farbencode für die schwarze Volkspartei zu finden. Die Wahl ist auf ein total überraschendes Orange gefallen.

Der erste CDU-Spot für die bevorstehenden Bundestagswahlen…

…und seine sozialkritische Alternativversion:

 

Die SPD hat schon vor zwei Jahren angefangen, mit der traditionellen Farbenlehre der Politik zu brechen. Die Agentur Super J+K hat – gegen nicht wenige Widerstände – das Purpur bei den Roten eingeführt und dann auch noch die klassische Zweidimensionalität beim Logo wieder eingeführt. „Zum 150. Jubiläum hatte die SPD eine Revitalisierung ihrer Marke nötig“, begründet Super-Manager Karsten Göbel die Maßnahmen. Ob die Sozialdemokraten noch als Volkspartei durchgehen, lässt Göbel geflissentlich offen, pocht aber darauf, dass die SPD so viele soziale Milieus wie keine andere Partei unter ihrem Dach vereine. „Das macht es allerdings auch schwierig, alle Sympathisanten mit einenden Botschaften zu erreichen“, räumt Göbel ein.

 

Die SPD will Klinken putzen

Will die Marke der SPD wiederbeleben: Karsten Göbel von der Agentur Super J+K

Also haben die Werbestrategen auf Basis der Felder, auf denen die Meinungsumfragen der SPD deutliche Kompetenzvorsprünge vor der Union ausweisen, 15 Themen geschneidert, die sie für ihre Kampagnen (Budget: 23 Mio. Euro) zum Einsatz bringen wollen. „Wir setzen dabei auf maximale Kontrastierung zu Schwarz-Gelb“, kündigt Göbel an. Die SPD will aber nicht nur mit Parolen punkten, sondern auch effektiver arbeiten. Im ersten Schritt hat die Partei es deshalb ihren Mitgliedern und auch Sympathisanten ermöglicht, sich über „Bürgerdialoge“ besser programmatisch einzubringen. Im zweiten Schritt ist die Organisation verbessert worden, indem die Direktkandidaten in den Wahlkreisen Unterstützung durch professionelle Campaigner bekommen, die als direkte Schnittstelle zur Bundes-SPD fungieren.

Die letzte Stufe heißt „Aktivierung“: In den nächsten Monaten sollen die Wahlhelfer an fünf Millionen Haustüren in Deutschland klingeln und im persönlichen Gespräch überzeugen. „Die SPD gewinnt die Wahl in Blocks, nicht in Blogs“, ist Werbemanager Göbel überzeugt. Angesichts der schlechten Ergebnisse, die die SPD seit Monaten bei der Sonntagsfrage erzielt, setzt die Partei offenbar darauf, möglichst viele der 299 Wahlkreise direkt zu gewinnen.

 

Schmales Budget: Die Linke und die Piraten

Darauf kann Die Linke bestenfalls in den neuen Bundesländern hoffen. Volker Ludwig, der mit seiner Agentur DiG/Plus seit 14 Jahren für die Linkspartei arbeitet, macht klar, dass es vor allem darum geht, der SPD Zweitstimmen abzujagen. „Wir kämpfen mit der SPD um den Markenkern der sozialen Gerechtigkeit und um die Farbe Rot“, sagt der Manager. Zum einen will das die Linke schaffen, indem sie radikaler als die Sozialdemokraten auftritt – was nicht allzu schwer fallen sollte. Zum anderen will die Linkspartei stärker über Inhalte gehen. „Deshalb ist die Schrift das Mittel unserer Wahl“, sagt Ludwig. Das werde sich auch auf den Plakaten zeigen. Auch so will sich die Linke (Wahlkampfetat ca. 4,5 Mio. Euro) von der SPD absetzen, die sechs bis sieben Mal so viele Wahlplakate kleben dürfte.

Volker Ludwig (Mitte) wirbt seit 14 Jahren für Die Linke. Armin Reins (rechts) macht es Spaß, für die FDP zu arbeiten - gerade weil sie so oft angefeindet werde. Links: CDU-Werber Meyer.

Noch nicht einmal ein Zehntel der Linkspartei-Gelder haben die Piraten zur Verfügung. Was dazu führt, dass die Partei erst gar keine Werbeagentur engagiert hat, sondern mit einem ehrenamtlichen „Gestalternetzwerk“ arbeitet. Die Piraten wollen vor allem die 18- bis 39-jährigen erreichen. Dazu werden auch sie – neben der Nutzung ihrer „Hauptwaffe“ Internet – Plakate kleben. Darauf sollen „Gesichter aus allen Regionen“ zu sehen sein, kündigt der Pirat Salomon Reyes an. Dabei gehe „Bildstärke vor Prominenz“. Ungünstig für die Piraten ist allerdings, dass der Wahlkampf mitten in die Semesterferien fällt, so dass sie es zumindest offline schwer haben dürften, eine ihrer Kernklientel, die Studierenden, zu erreichen.


Gut gemacht, FDP?

Foto: FDP/flickr

„Gut gemacht, Deutschland! Gut gemacht, FDP!“ Mit diesem Abspann wird sich die FDP in ihren Fernsehspots mit Eigenlob überschütten. Ausgedacht hat sich dies Armin Reins, Mitinhaber der Werbeagentur reinsclaasen. Reins sieht in der FDP „einen Kunden, der unheimlich viel Spaß macht.“ Man müsse sich nicht verbiegen und so tun, als würde man alle Interessen bedienen (und dies bei einem Etat von vier Mio. Euro). „Wir sind eine kleine Lobbyisten-Partei für 20 Prozent der Bevölkerung, nämlich für Selbständige und Freiberufler“, gibt Reins freimütig zu. Die FDP wolle einen sachlichen Wahlkampf führen, so der Werbeprofi. Offenbar aber nur dann, wenn es um die vermeintlichen Erfolge der Liberalen geht.

Denn als Steilvorlage für den Angriff der politischen Gegenseite hat Reins die Steuerpläne der Grünen entdeckt:  „Wir werden kommunizieren, dass jeder mit einem Monatsgehalt von 4000 Euro aufwärts von den Grünen geschröpft wird.“ So präsentierte Reins bei der Böll-Konferenz ein Plakat mit dem Titel „Die Räuber“, auf dem die Konterfeis von Claudia Roth, Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin im Stile von Marx-Engels-Lenin zu sehen sind.

 

Die Grünen wollen Fehler nicht wiederholen

Langguth arbeitete für Joschka Fischer: Das geht ins Blut über.

Möglicherweise ist dies die Antwort auf das freche Plakat der Grünen, mit dem diese sich über die Dirndl-Fantasien eines Rainer Brüderle mokiert haben (5,5 Mio. Euro für die Bundestagswahlen und die Europawahl im nächsten Jahr). Verantwortlich dafür ist Hans-Hermann Langguth, der für die Agentur „Zum Goldenen Hirschen“ unterwegs ist. Über das Brüderle-Plakat streiten FDP und Grüne derzeit noch vor Gericht. Stattdessen zeigte Langguth so manches Poster, das für frühere Wahlkämpfe modelliert war, dann aber nicht zum Einsatz kam. Wie zum Beispiel das Plakat, das seine Agentur für Renate Künasts Bürgermeister-Ambitionen in Berlin 2011 konzipierte. „Renate nervt“, stand oben in großen Buchstaben. Unten in kleineren Lettern: “Die Richtigen.“  Da war es aber schon zu spät. Langguth schilderte, wie sich Agentur und Partei mit anfänglich falschen Maßnahmen immer weiter verhedderten und so bei den Senatswahlen Baden gingen.

Letztlich entscheidend für den Absturz war damals aber wohl die wenig hilfreiche Ankündigung Renate Künasts, sie werde nur bei einem Sieg in der Berliner Politik bleiben. Und dennoch. „War der Wahlkampf erfolgreich, war’s die gute Politik. War er es nicht, war die schlechte Kampagne dafür verantwortlich“, brachte Linken-Werber Volker Ludwig das Dilemma seines Berufsstandes auf den Punkt. Und Langguth fügte hinzu: „Die Piraten haben 2011 gezeigt, dass eine Partei auch ohne viel Geld große Effekte erzielen kann. Gott sei Dank entscheiden auch die politischen Inhalte über den Wahlausgang!“

Lutz Frühbrodt

Mehr zum Thema: Die Super-Markt-Demokratie

© Die Zweite Aufklärung 2013 (Text und alle Fotos)

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