Print Friendly, PDF & Email

85 Stiftungen fördern in Deutschland Non-Profit-Journalismus – mit Projektfinanzierungen, Stipendien und Journalistenpreisen. Die Schöpflin Stiftung aus Lörrach ist ganz vorne mit dabei. Sie finanziert nicht nur Großprojekte wie „Correctiv“ mit, sondern unterstützt auch lokale Initiativen.

Ausschnitt aus dem geplanten Haus des gemeinnützigen Journalismus. Foto: Screenshot von haus-des-journalismus.de

Im Erdgeschoss sollen ein Restaurant und ein großer Veranstaltungsraum entstehen. In der ersten Etage Schulungsräume und rotierende Arbeitsplätze. Im zweiten Stock wird es Büros für Redakteure geben, darüber ein kleines Youth Hostel und ganz oben Wohnungen. So sieht die grobe Planung für das „Haus des gemeinnützigen Journalismus“ aus, das die Schöpflin Stiftung zusammen mit dem Recherchebüro „Correctiv“ in Berlin errichten will. Schöpflin ist bereit, bis zu 25 Millionen Euro in das Projekt zu investieren. Dies wäre die mit Abstand größte Investition, mit der eine Stiftung Journalismus in Deutschland fördern würde.

85 Stiftungen sind hier zu Lande aktiv, um die Finanzierung eines kritischen und investigativen Journalismus zu unterstützen – durch die Förderung größerer Medienprojekte wie dem gemeinnützigen „Correctiv“, durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Journalisten, durch die Auslobung von Preisen für herausragende Reportagen, durch die Vergabe von Reise- und Recherchestipendien. Oft handelt es sich um Stiftungen, die aus dem Privatvermögen von Verlegern, Chefredakteuren und prominenten Journalisten gegründet wurden. Um die Rudolf-Augstein-Stiftung, um die Stiftung von August Schwingenstein, einem Mitgründer der „Süddeutschen Zeitung“, oder um die Stiftung des ehemaligen „Tagesthemen“-Moderators Ulrich Wickert, um nur einige Beispiele zu nennen. Einige Journalismus-fördernde Stiftungen haben jedoch keinen direkten Bezug zur Medienindustrie wie die Robert-Bosch-Stiftung. Oder eben die Schöpflin Stiftung.

 

Ehemalige Versandhändler fördern heute den kritischen Geist

Bei Schöpflin handelt es sich um ein ehemaliges Versandhaus aus Lörrach. Bis heute ist Hans Schöpflin mit einer Investmentgesellschaft in den USA aktiv. Bereits 2001 gründete er zusammen mit seinen Geschwistern Albert und Heidi die Stiftung. Diese engagiert sich unter anderem auf den Feldern Prävention, Bildung und zivilgesellschaftliches Engagement. Die Schöpflin Stiftung will dabei vor allem junge Menschen unterstützen, ein kritisches Bewusstsein zu entwickeln. Und sie will eine starke Demokratie fördern, die auch noch in den nächsten Jahrzehnten Bestand hat. „Dafür bedarf es einer informierten Gesellschaft“, betont Lukas Harlan, Programmleiter bei Schöpflin. „Hier nimmt der Journalismus eine zentrale Rolle ein.“ So ist die Idee entstanden, gemeinnützige Projekte auf diesem Feld zu fördern. In den vergangenen Jahren hat hier die Schöpflin Stiftung „einen größeren sechsstelligen Betrag“ investiert.

Lukas Harlan, für Journalismus zuständiger Programmleiter bei Schöpflin. Foto: Frühbrodt

„Dort, wo die großen Verlage wirtschaftlich immer mehr unter Druck geraten und öffentlich-rechtliche Sender immer mehr zum Mainstream tendieren, trägt ein weiteres Modell zur Vielfalt bei“, ist Harlan überzeugt. Schöpflin bevorzugt dabei Modelle mit einer Mischfinanzierung aus gemeinnützigen Stiftungsmitteln einerseits und durch Leser und/oder Vereinsmitglieder andererseits, sofern sich das Medium als Verein konstituiert. Schöpflin sieht seine Rolle als „Mit-Ermöglicher“ und als „sozialer Risikokapitalgeber“. Typisch für diesen Ansatz sind die „Grow“-Stipendien, die Schöpflin seit 2016 in jährlichen Runden zusammen mit der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche vergibt. Die „Grow“-Initiative hat für große Aufmerksamkeit in der deutschen Medienszene gesorgt. Gefördert werden mit den Stipendien vielversprechende Start-ups von hoher Professionalität. Zu den Gewinnern gehörten 2017 „Medwatch“, ein Portal für auf ihren Wahrheitsgehalt geprüften medizinischen Informationen, „120 Minuten“, eine Plattform für lange und hintergründige Texte über Fußball, sowie das „Ihme-Zentrum“, ein Multimedia-Projekt über eine Bau- und Wohnruine in Hannover.

 

Geld ja, aber auch Coaching und Knowhow-Transfer

Einen starken lokalen Bezug weist auch das Projekt „Einfach Heidelberg“ auf, das 2016 neben zwei anderen Anwärtern den Zuschlag bekam. Einfach-Heidelberg.de ist das erste barrierefreie Online-Nachrichtenportal in leichter Sprache für die Stadt Heidelberg. Die Texte schreiben gemeinsam Menschen mit und ohne Behinderung. „Das Geld der Schöpflin Stiftung hat uns gerade in der Anfangszeit enorm Luft verschafft und wichtige Freiräume ermöglicht, um unser Projekt gelassen, aber konsequent weiterzuentwickeln“, zieht Moritz Damm, Vorsitzender des Trägervereins, eine erste Bilanz. „Einfach Heidelberg“ habe mit den 2.000 Euro Preisgeld sein Redaktionsequipment ausbauen und sich so weiter professionalisieren können.

Neben den überschaubaren Geldmitteln umfasst das Stipendium zudem ein intensives Coaching. Das Netzwerk Recherche vermittelt den Stipendiaten wichtiges Knowhow darüber, welche Rechtsform am besten zu wählen ist, wie das Geschäftsmodell weiterentwickelt werden kann, wie Crowdfunding funktioniert und vieles mehr. Zudem stellt die Schöpflin Stiftung ihr über 15 Jahre gewachsenes Netzwerk zu Verfügung, damit die Projekte weitere Förderpartner akquirieren können.

Lokaljournalismus in einfacher Sprache: Einfach-Heidelberg.de Foto: Screenshot

Im Fall von „Einfach Heidelberg“ wurde das baden-württembergische Sozialministerium über die Medien auf das Projekt aufmerksam. Die positive Folge: Eine staatliche Förderung von 50.000 Euro über ein Jahr, damit „Einfach Heidelberg“ als eine Art Dienstleister und Ausbilder für ähnliche Projekte im Ländle fungieren kann. „Grundsätzlich haben wir die Erfahrung gemacht, dass es einfacher ist, Unterstützung zu erhalten, wenn man bereits etwas vorzuweisen hat“, ist Moritz Damm überzeugt. Am Anfang habe es viele Absagen gegeben, aber dann habe sich die Stiftung von Klaus Tschira, einem der SAP-Gründer, mit einer Anschubfinanzierung von rund 2.500 Euro beteiligt. Das „Grow“-Stipendium sorgte für einen zusätzlichen Schub. Und schließlich kamen die Gelder vom Sozialministerium oben drauf.

Ohne Zweifel geht es auch eine Nummer größer. So fördert die Schöpflin Stiftung auch das gemeinnützige Recherchebüro „Correctiv“, das in den ersten drei Jahren seiner Existenz zwischen 2014 und 2016 vornehmlich von der Essener Brost-Stiftung finanziert wurde. „Correctiv“ veröffentlicht seine investigativ-kritischen Storys vor allem in anderen Medien – vom „Spiegel“ über verschiedene Regionalblätter bis zur „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Die Artikel, die zum Beispiel Missstände im Gesundheitswesen aufdeckten, haben wiederholt für bundesweites Aufsehen gesorgt.

 

Kritisch und konstruktiv: Correctiv und Noah

Die Schöpflin Stiftung will aber nicht ausschließlich ihre Finger in die Wunden der Gesellschaft legen. Deshalb unterstützt sie auch die Noah Foundation aus Potsdam, die sich den so genannten konstruktiven Journalismus auf die Fahnen geschrieben hat. Zusammen mit der Noah-Stiftung vergibt Schöpflin hier „Stipendien für lösungsorientierten Journalismus“: Die geförderten Projekte und Autoren sollen Ideen und Lösungsansätze für Herausforderungen in der Gesellschaft entwickeln, ebenso für die Gefahren der Umwelt. Geschichten des Gelingens sind also gefragt.

Doch damit nicht genug. „Wir führen viele Gespräche für zukünftige Förderpartnerschaften“, sagt Schöpflin-Programmleiter Lukas Harlan. Denn: „Wir werden unsere Aktivitäten im Bereich des gemeinnützigen Journalismus weiter ausbauen.“ Dazu soll auch das eingangs skizzierte „Haus des gemeinnützigen Journalismus“ in Berlin gehören. „Damit wollen wir einen Ort schaffen, in dem Vernetzung entsteht, Zusammenarbeit und sich das Feld insgesamt weiterentwickeln kann.“

© Die Zweite Aufklärung 2018 (Der Text ist ursprünglich in der Fachzeitschrift „Stiftung und Sponsoring“, Ausgabe 6/2017, erschienen.)

Previous post

Die 68er – wie hell strahlt ihr Mythos heute?

Next post

Egon Krenz: Der neue Deutschland-Minister Chinas

Prof. Lutz Frühbrodt

Lutz Frühbrodt ist seit 2008 Professor für "Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation" an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Zahlreiche Veröffentlichungen zu kommunikations- und wirtschaftspolitischen Themen. Spezialgebiet Mediensoziologie. Zuvor ein knappes Jahrzehnt Wirtschaftsreporter bei der "Welt"-Gruppe - als Teilstrecke seines Marsches durch die Institutionen. Promotion als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität in seiner Heimatstadt Berlin. Volontariat beim DeutschlandRadio Kultur.

1 Comment

  1. […] Journalismus. Soeben ist Teil 2 erschienen. Den Text habe ich auch in voller Länge bei der Zweiten Aufklärung […]