30.05.2014 – Vertrauen schaffen– das ist der Schlüsselbegriff, wenn die Public-Relations-Branche (PR) ihre Arbeitsweise und Zielsetzung beschreibt. Indem Unternehmen die Öffentlichkeit über ihre Aktivitäten informieren, wollen sie um Vertrauen werben und Reputation gewinnen. Die Messlatte dafür hängt heute höher denn je, denn durch Krisen und Skandale wurde in den letzten Jahren viel Vertrauen verspielt. Eine ethisch saubere PR, die auf dauerhaftes Vertrauen baut und einen Dialog auf Augenhöhe anstrebt, muss ihre Kommunikationspartner ernst nehmen. Und sie muss, wenn nötig, auch Veränderungen in der eigenen Organisation anstoßen.

Vertrauen erfüllt eine wichtige soziale Funktion: Ohne Vertrauen wäre der Mensch nicht handlungsfähig. Vertrauen ist zwischen „Gewissheit“ und „Hoffnung“ angesiedelt und gibt uns Orientierung, um die Umwelt einschätzen zu können. Wenn man als Person oder Institution Vertrauen erlangen möchte, muss man ehrlich und glaubwürdig sein. Und so wie man sich im zwischenmenschlichen Bereich Vertrauen immer wieder verdienen muss, gilt auch für Unternehmen und Institutionen: Vertrauen erlangt man nicht vorrangig mit PR-Gags und Inszenierungen, sondern durch Dialog, Kontinuität und erfolgreich bestandene Bewährungsproben.

 

Enttäuschtes Vertrauen und die Konsequenzen

In letzter Zeit begegnen uns allerdings immer öfter Vertrauensverluste und Vertrauenskrisen. Die Finanzkrise hat bestimmte gesellschaftliche Grundfesten ebenso erschüttert wie die NSA-Ausspähaffäre. Diese globalen, politischen Vertrauenskrisen sind das eine. Sie haben Orientierungslosigkeit, Angst oder Defaitismus hervorgebracht, jedenfalls aber eine allgemeine Atmosphäre von Verunsicherung und Misstrauen begünstigt.

PR-Manager verstehen sich meist als geschickte Strippenzieher.

Konkrete Skandale, bei denen einzelne Personen das Auseinanderklaffen von Schein und Sein erklären müssen, sind das andere. Uli Hoeneß, Alice Schwarzer, der Umgang mit der Sebastian-Edathy-Affäre oder der Berliner Großflughafen BER – bei all diesen Fällen gab es einen Aufschrei darüber, wie die Öffentlichkeit hinters Licht geführt wurde. Und bei all diesen Fällen hatte oder hat man das Gefühl, dass die PR-Maschinerie knallhart an der Wirklichkeit vorbei arbeitet und ihre Kommunikationspartner nicht besonders ernst nimmt. Uli Hoeneß und Alice Schwarzer stritten in grenzenloser Hybris so lange öffentlich für ihre „Ideale“, bis sie Steuerhinterziehung in großem Stile einräumen mussten. Die Edathy-Affäre verleitet zu der Annahme, dass sich Spitzenpolitiker über justiziable Interna  hinter verschlossenen Türen austauschen und warnen– ohne dass dies ernsthaft thematisiert worden wäre. Und dass BER-Aufsichtsratschef Wowereit den Phantom-Flughafen bis heute als „Erfolgsgeschichte“ bezeichnet, kann man eigentlich nur mit sozialem Autismus erklären.

Die Beispiele zeigen, wie kostbar Vertrauen geworden ist. Ohne Zweifel ist die Bevölkerung gegenüber Autoritäten kritischer eingestellt als noch vor ein paar Jahrzehnten. Die Gesellschaft hat, teils aus bitterer Erfahrung, höhere Ansprüche entwickelt, wem man vertrauen kann und vertrauen will – im Gegensatz zu früheren Zeiten des Obrigkeitsglaubens. Diese Skepsis bezieht sich nicht nur auf politische Institutionen. Angesichts der dauernden Krisen um Banken, Wirtschaft, Euro und Verschuldung hat die Kommunikationsforscherin Claudia Mast auch eine „Wirtschaftsverdrossenheit“ ausgemacht, die sie mit einer repräsentativen Umfrage belegt: Demnach schenken mehr als die Hälfte der Befragten den Unternehmen kein Vertrauen mehr, bei Banken und Versicherungen sind es sogar knapp drei Viertel (Claudia Mast: Neuorientierung im Wirtschaftsjournalismus. Wiesbaden 2012).

PR-Schaffende und ihre Auftraggeber sollten sich also fragen, wie sie selbst behandelt werden wollten, wenn sie Adressaten und nicht Absender einer PR-Kampagne wären. Die Öffentlichkeit will überzeugt werden und ihr Vertrauen nicht blind verschenken. Dafür muss sich PR hohen Ansprüchen stellen.

 

Dialog statt Verlautbarung

In der kommunikationstheoretischen Forschung etablierte das amerikanische Duo James Grunig und Todd Hunt 1984 die Begriffe von der Ein-Weg-Kommunikation und der Zwei-Weg-Kommunikation. In der Ein-Weg-Kommunikation nimmt eine Organisation für sich in Anspruch, selbst zu wissen, was für die Zielgruppe am besten ist und versucht dementsprechend, ihre Botschaften in die Köpfe der Zielgruppen zu hämmern. Bei der Zwei-Weg-Kommunikation begegnen sich Organisation und Zielgruppen dagegen auf Augenhöhe und beeinflussen sich gegenseitig – indem die Organisation durch Feedbacksysteme die Bedürfnisse und Bewertungen ihrer Zielgruppen abfragt oder sogar den direkten Dialog mit ihr pflegt. In den 80er Jahren konnten Grunig und Hunt noch gar nicht wissen, wie sehr moderne Informationstechnologien diese Interaktion anfachen würden.

Nachhaltigeit mag zu einem Modewort verkommen sein. Doch spielen ökologische und soziale Aspekte in der PR mittlerweile auch eine wichtige Rolle.

Zwei-Wege-Kommunikation auf Augenhöhe – das lässt an die verständigungsorientierte Kommunikation bei dem Sozialphilosophen Jürgen Habermas denken, bei der die Kommunikationspartner sich wahrhaftig verhalten und die geltenden gesellschaftlichen Werte und Normen respektieren. Insbesondere in Konfliktsituationen zwischen Unternehmen und Öffentlichkeit geht es darum, die gegenseitigen Argumente und Interessen zu klären und gemeinsame Handlungsoptionen zu entwickeln. Dies stellt ein Ideal der menschlichen Kommunikation dar, das in der Realität kaum zu erreichen sein wird. Aber es lohnt sich, die Annäherung zumindest zu versuchen.

Natürlich verlangt die verständigungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit den PR-Schaffenden und auch den Organisationen, in deren Namen PR betrieben wird, einiges ab. Denn dialogische Kommunikation birgt Unwägbarkeiten: Wenn der Dialog ehrlich und offen geführt wird und nicht nach dem Motto „wer zahlt, bestimmt die Musik“, dann ist das Ergebnis ungewiss. Die Organisation setzt sich damit freiwillig unter Legitimierungsdruck und kann den Dialog nicht stoppen, sobald es unangenehm wird. Andernfalls verliert sie mehr, als sie hätte gewinnen können. Falls die dialogische Kommunikation aber ernst genommen wird und gelingt, dürfen die Unternehmen daraus sogar einen konkreten Wettbewerbsvorteil für sich erwarten.

 

Nachhaltige Kommunikation

Ehrlichkeit, Fairness, Gerechtigkeit, Transparenz – diese Werte stehen bei den Deutschen durchaus hoch im Kurs. Wer sie bedient, kann darauf hoffen, vom Markt dafür belohnt zu werden. Die Gruppe Deutsche Börse, sozialromantischer Träumereien unverdächtig, hat festgestellt, dass Analysten und Investoren nicht mehr nur an reinen Finanzkennzahlen interessiert sind. Vielmehr wollen sie sich ein umfassendes Bild von Unternehmen machen inklusive der ökologischen, gesellschaftlichen und die Unternehmensführung betreffenden Faktoren („ESG“-Informationen für environmental, social, governmental).

Der Wert eines Unternehmens bemisst sich nicht allein nach seinen Finanzkennzahlen.

Die Deutsche Börse hat darum im Herbst 2013 einen Leitfaden veröffentlicht, um speziell kleinen und mittelständischen Unternehmen zu helfen, Nachhaltigkeitsinformationen in ihre Kapitalmarktkommunikation zu integrieren. Nach Auffassung der Gruppe Deutsche Börse lässt erst das Zusammenspiel der Finanzkennzahlen und der ESG-Schlüsseldaten ein ganzheitliches und authentisches Unternehmensprofil entstehen. Vereinnahmt nun an dieser Stelle die Marktwirtschaft die ökologischen und sozialen Ideale für ihre Zwecke? Ist es zielführend, inmitten eines kapitalistischen Marktgeschehens die PR-Abteilungen als Ethik-Instanz zu installieren? Man wird von solchen Maßnahmen keine Wunder erwarten dürfen. Aber sie könnten erste Impulse für eine bessere Wirtschaftsordnung geben.

 

Wenn Unternehmen gut dastehen wollen, müssen sie auch gut sein

Eine ehrliche, verantwortungsvolle, dialogorientierte PR greift tief in die Unternehmenskultur ein. Denn die Gebote von Wahrhaftigkeit, Fairness und Transparenz, die in keinem der reichlich vorhandenen PR-Ethik-Kodizes fehlen, beziehen sich sowohl auf den Stil als auch den Inhalt der Kommunikation. Hier landet man sofort da, wo’s weh tut, nämlich bei den Zielen, den Geschäftspraktiken, der Arbeitsatmosphäre einer Organisation.

Die nachhaltige Kapitalmarktkommunikation, die die Deutsche Börse unterstützt, fordert in erster Linie die Unternehmensleitung, die auf der operativen Ebene die Weichen für soziales Engagement und Umweltverträglichkeit stellen muss. Erst dann können die Maßnahmen kommuniziert werden, und auf dieser Reihenfolge sollten die PR-Schaffenden auch bestehen. Eine PR, die mit offenem Visier antreten will, ist also immer auch abhängig von der Organisation, die sie vertritt. Wenn die PR Zweifelhaftes oder gar Schlechtes schönreden soll, wenn sie  „auf Dreck Blümchen klebt“, erzeugt sie damit das Gegenteil von Vertrauen und riskiert obendrein, das Unternehmen zu blamieren, wenn der kreative Umgang mit der Wahrheit ans Licht kommen sollte.

Die Zeit, da Presse- reine Lautsprecher ihrer Vorstandssprecher, sollte sich dem Ende zuneigen.

Daraus erwächst ein hoher Anspruch für die PR, sie schwingt sich auf zum Gewissen eines Unternehmens. Im operativen Geschäft bedeutet dies, dass die Abteilung „Unternehmenskommunikation“ nicht nur als Befehlsempfänger fungiert. Sie benötigt eine enge Anbindung an die Unternehmensleitung und sollte bei strategischen Entscheidungen einbezogen werden. Diese Tragweite ist nicht jeder Firmenleitung bewusst, die sich mit modischen PR-Accessoires wie einem Leitbild inklusive Vision und Mission schmückt, eine Spende an den örtlichen Kindergarten als CSR-Commitment für ihr soziales Engagement ausgibt oder pro forma Mitarbeiterworkshops durchführt, deren Ergebnis vorher schon festgelegt ist.

Man kann solche Maßnahmen rein äußerlich auftragen und sich damit brüsten. Wenn man sie wirklich ihrem Sinn und Wesen nach erst nimmt, wird es sehr viel schwieriger: Dann muss man die eigenen Mitarbeiter tatsächlich ernsthaft einbeziehen und im Rahmen einer aktiven CSR-Politik auch die eigenen Produkte und Dienstleistungen auf ihren gesellschaftlichen Nutzen prüfen. Das kann ziemlich gravierende Änderungen erfordern. Wer davor zurückschreckt, verzichtet besser gleich ganz auf die einschlägigen Maßnahmen – anstatt sie durch Halbherzigkeit zu diskreditieren.

 

PR für mündige Bürger

Saubere PR muss und soll auch nicht langweilig und moralinsauer sein. Sie bedient sich der handwerklichen Kniffe  ihrer  Profession und nutzt kreative Ideen, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Ein erfrischendes Beispiel dafür, ganz im Dienst der guten Sache, ist das „Ministerium für Glück und Wohlbefinden“. Treibende Kraft hinter dem Grassroots-Projekt ist die Kommunikationsdesignerin Gina Schöler, die viele originelle Ideen hat und eine sehr gute Medienresonanz verbuchen kann.

Auch saubere PR arbeitet mit dem klassischen Handwerkszeug ihrer Profession, analysiert die Ausgangslage und ihren Auftraggeber, nimmt ihre Zielgruppen ins Visier, formuliert Botschaften, veranschaulicht sie anhand kreativer Bilder und setzt sie mit breitem Instrumentarium um. Aber sie prostituiert sich nicht, indem sie sich für jeden beliebigen Zweck einspannen lässt.

Integrative PR-Ansätze bedeuten natürlich nicht, dass sich alle an der Hand anfassen und ganz lieb zueinander sind, Dennoch erzeugt saubere PR mehr Gemeinschaftsgefühl.

 

Saubere PR betrachtet ihre Zielgruppen auch nicht als manipulierbare „Opfer“, wie es manche PR-Berater hinter verschlossenen Türen formulieren. Stattdessen fragt sie danach, welche Institutionen denn auch wirklich Vertrauen und Reputation verdienen. Da die Medien in ihrer öffentlichen Kontrollfunktion  zusehends geschwächt werden, könnte eine solche „freiwillige Selbstkontrolle“ von Unternehmen und Organisationen in Zukunft immer wichtiger werden. Konsequent wäre es dann, eine ethische Kontrollfunktion für die Unternehmenskommunikation auch zu formalisieren – über wohlfeile Kodizes hinaus.

Eine ehrliche und transparente Informationspolitik begreift die dahinterstehende Organisation als Teil der Gesellschaft, die nicht nur (gruppen-)egoistisch ihre Interessen durchsetzten will und auf kurzfristige Gewinnmaximierung abzielt. Sie vertritt und verkörpert auch übergeordnete gesellschaftliche Werte. Ehrlich erworbene Imagegewinne könnten der Lohn sein.

Annette Floren

Hier können Sie lesen, mit welchen Tricks die PR heute bevorzugt arbeitet.

© Die Zweite Aufklärung 2014 (Fotos: istock photo)

 

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