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…reden sie dann eigentlich immer nur über sich selbst? Ihre Wehwehchen? Darüber, dass die Gesellschaft sie völlig falsch sieht? Oder sind sie auch kritisch mit sich, ihrer Kaste, ihren Unternehmen? Alljährlich treffen sich Deutschlands Spitzenmanager bei den Baden-Badener Unternehmergesprächen (BBUG). Dort knüpft die Wirtschaftselite Netzwerke fürs Leben. Seit die Konzerne krisenbedingt das Thema ‘Soziale Verantwortung‘ entdeckt haben, öffnen sie sich aber auch langsam für den gesellschaftlichen Dialog. Bei dem exklusiven Manager-Treff in Baden-Baden kommen deshalb nun auch kurzzeitig ‘engagierte Bürger‘ zu Wort. Ist das ein aufrichtiger Versuch? Oder wieder mal nur Imagepflege? Ein Erfahrungsbericht.

Ich komme nach Baden-Baden, weil ich den Managern einen Vertrauensvorschuss gebe. Mit dieser Vermutung begrüßt jedenfalls BBUG-Geschäftsführer Frank Trümper mich und die rund 30 weiteren Teilnehmer aus den Massenmedien, dem gewerkschaftsnahen Umfeld und diversen NGOs. Wir Vertrauen vorschießende, wiewohl ‘kritischen Bürger‘ sollen einen halben Tag lang im vornehmen Palais Biron mit der Unternehmerelite des Landes diskutieren. Bei den Führungskadern handelt es sich um 35 Manager, meist Nachwuchskräfte zwischen 40 und 50, die bereits Spitzenpositionen in Dax-Konzernen oder Vorstandsposten bei großen Mittelständlern eingenommen haben. Sie gönnen sich eine insgesamt dreiwöchige Auszeit von ihren hoch dotierten Stressjobs, um über Vorträge zu diskutieren und um untereinander ein Netzwerk aufzubauen – frei nach dem Motto: Man kennt sich und man hilft sich (siehe Infokasten am Ende des Textes).

Dass wir Bürger auf die Manager treffen, ist eine seltene Ausnahme. Gesorgt hat dafür managerfragen.org. Der Verein hat sich auf die Fahnen geschrieben, den Dialog zwischen Wirtschaft und Gesellschaft zu aktivieren. Denn das öffentliche Image der deutschen Manager ist nach der Finanzkrise 2008 und nach diversen Skandalen an einem Tiefpunkt angelangt. Managerfragen.org wünscht sich, dass sich die reinen Unternehmensführer in Public Leader verwandeln. Sie sollen nicht nur Anerkennung unter ihresgleichen finden, sondern auch als Identifikationsfigur für die Konzernmitarbeiter und nicht zuletzt als Vertrauensperson für die Öffentlichkeit wirken.

 

„Es geht hier um einen konstruktiven Perspektivwechsel“

Gleicht das nicht der Quadratur des Kreises? Haben wir es hier nicht mit einem Systemfehler zu tun, einem unüberwindbaren Zielkonflikt? Oder aber ist Wandel durch Annäherung möglich? Clemens Brandstetter, der Vorsitzende von managerfragen.org, scheint sich auch noch nicht ganz sicher. „Wollen Sie das Thema wirklich an sich heran lassen?“, fragt er die anwesenden Topmanager und fordert einen „konstruktiven Perspektivwechsel“. Die Manager sollen sich stärker und ernsthafter auf die Sorgen und Nöte der Bürger einlassen, wir Bürger sollen mehr Verständnis für die Anliegen der Wirtschaft entwickeln – alles durch intensivere Kommunikation, durchaus kontrovers und natürlich immer schön auf Augenhöhe.

Deutschlands Spitzenmanager beim Lunch - kurz danach schon diskutieren sie offen und offensiv

Deutschlands Spitzenmanager beim Lunch – kurz danach schon diskutieren sie offen und offensiv

Einen Versuch ist es allemal wert. Nach der ausführlichen Einweisung splitten sich die Teilnehmer in sieben paritätisch mit Bürgern und Managern besetzte Gruppen auf. Sie wollen unter anderem über Digitalisierung und Datenschutz, Gleichberechtigung im Job, die Zukunft der Arbeit sowie über die Postwachstumsgesellschaft diskutieren. Und über Unternehmenskommunikation. In dieser Gruppe befinde ich mich. Aber bevor alle zusammen miteinander reden, gibt es halbstündige Einzelgespräche. Der Witz dabei: Ich weiß schon seit zwei Wochen, wer mir gegenüber sitzen wird. Aber mein Gegenüber bekommt erst unmittelbar vor dem Gespräch die Info, mit wem er es gleich zu tun hat. Das soll offenbar die Spontaneität steigern und zugleich verhindern, dass mentale Schutzmauern hochgezogen werden.

Und tatsächlich. So ein offenes Gespräch wie hier hatte ich nur äußerst selten in meiner Zeit als Wirtschaftsreporter einer großen Tageszeitung in den ersten zehn Jahren dieses Jahrtausends. Mister X erzählt mir zunächst, dass er eigentlich Surflehrer werden wollte, dann aber doch Manager wurde. Wir haben kaum fünf Minuten gesprochen, da zieht er schon vom Leder. „Es herrscht derzeit eine mächtige Angst in meinem Unternehmen vor den Medien und vor der Öffentlichkeit“, gesteht er. Das will ich gerne glauben, denn der Konzern steht schon länger in der Schusslinie. Er hat zwar konkrete, nicht nur kommunikative Gegenmaßnahmen ergriffen, um sein angeschlagenes Image wieder aufzupolieren. Doch jeden kleinen Schritt nimmt die Journaille kritisch unter die Lupe. Dumm auch, dass ständig neue Leichen aus dem Keller gezogen werden.

 

„Mal besser unter dem Radar der Öffentlichkeit bleiben“

Es gebe keine klare Kommunikationsstrategie und wenn, dann eher einen Zickzack-Kurs, moniert Mister X. Öffentlich würde er das wohl nie sagen. Aber das ist auch verständlich, denn er kann seinem Arbeitgeber nicht so einfach in den Rücken fallen. Das hätte Konsequenzen. „Wahrscheinlich muss man einfach abwarten, bis der Fluss eine neue Biegung nimmt“, glaubt Mister X. „Im Augenblick haben wir einfach keine Chance, dass sich unser Ansehen grundlegend verbessert.“

Das sagt er dann schon, als die Diskussionsrunde zwischen den vier Managern und den vier Medienmachern eröffnet ist. Der Verlauf dieser Runde erinnert mit ihrer unstrukturierten Struktur und dem zeitweiligen Durcheinanderquasseln stark an Jauch oder Maischberger, nur dass sich hier der Moderator dezent im Hintergrund hält. Das ist zwar so gewollt, aber doch fatal. So reißen die Alphatiere aus den Chefetagen den Talk über weite Strecken an sich. „Die Unternehmen sollten am besten unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung bleiben“, empfiehlt Mister Y, genervt von der vermeintlich ständigen und unberechtigten Medienkritik. Ein paar Minuten später fordert er, kaum widersprüchlich, die Unternehmen sollten nicht länger dem (vorgeblich antikapitalistischen) Zeitgeist hinterher jagen, sondern „wieder den harten öffentlichen Diskurs suchen.“

Ergebnisse der Gruppe, die sich mit Unternehmenskommunikation beschäftigt hat.

Die Ergebnisse der Gruppe Unternehmenskommunikation.

An dieser Stelle finden Manager und Medienmacher wohl am engsten zusammen. Offen sollen die Unternehmen sein, sie können auch durchaus offensiv vorgehen, wenn man denn nur weiß, was sie wirklich wollen. Keine Nebelkerzen. Und sie sollen nicht die ganze Öffentlichkeitsarbeit den Verbänden und ihren zuweilen auch bürokratisch-biederen Vertretern überlassen, zumal diese obendrein auf Grund der teils höchst gegensätzlichen Interessen ihrer Mitgliedsunternehmen zu verbalen Eiertänzen gezwungen sind. So könnten die Unternehmen zum Beispiel beim Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) einfach mal klare Kante zeigen.

Ansonsten bleiben die Erkenntnisse aus der Talkrunde eher mager. Langfristig, sachlich und transparent kommunizieren. Alle Anspruchsgruppen besser einbinden. Auch auf gesamtgesellschaftliche Probleme eingehen (siehe Bild). War innerhalb der kurzen Zeit nicht mehr zu erwarten? Oder hätte man einfach enger an der Sache dranbleiben müssen?

„Da würde ich Sie challengen…“, beginnen die Manager immer wieder im besten Business-Denglisch ihre Ausführungen. Und sie sagen wiederholt „Ich will mich nicht beschweren, ich beschreibe nur…“ – vor allem dann, wenn sie über die Politik herziehen. Die muss an diesem Nachmittag als Sündenbock herhalten. Denn, so der Tenor, Minister und Staatssekretäre würden in vertraulichen Gesprächen mit den Unternehmen oft ganz anders reden als danach in der Öffentlichkeit. Sie werfen den Politikern – selbstredend nicht pauschal – mangelnde Zuverlässigkeit und Integrität vor.

 

„Da würde ich Sie challengen…“

Aber die Suada der Manager hat noch eine Metaebene. Zwischen den Zeilen klingt deutlich durch, dass der Primat der Wirtschaft in Gefahr ist. Die Politik will wieder die Oberhand gewinnen und das gefällt ihnen überhaupt nicht. Die Unternehmenslenker werfen den Politikern dabei „ordnungspolitische Widersprüchlichkeit“ vor. Andere würden das notwendige Regulierung nennen, um das Gemeinwohl zu schützen. Ganz zum Schluss erkundigt sich dann einer der Manager (Mister Z) doch noch nach der Meinung der Medienmacher. Beide Seiten werden sich schnell einig. Das Prinzip „Die Unternehmen stellen immer alles nur positiv dar, die Medien alles nur negativ“ muss aufgebrochen werden – in der nicht ganz so schwarz-weißen Realität, aber auch in den Wahrnehmungsmustern der Beteiligten.

Krönender Abschluss: Die offenherzige Fishbowl-Diskussion

Am Ende kommen noch mal alle zusammen: Offenherzige Fishbowl-Diskussion

Nach anderthalb Stunden lösen sich die Gruppen wieder in Wohlgefallen auf. Die 70 Teilnehmer kommen zusammen zur Abschlussrunde, zu einer so genannten Fishbowl-Diskussion, bei der ständig einer der Teilnehmer nach seinem geschätzten Wortbeitrag wieder in die große Runde zurücksetzt. So soll (fast) jeder die Chance bekommen, etwas zu sagen. Rotation. Das Prinzip funktioniert im Prinzip gut. Nur dass der Moderator ein bisschen zu sehr in Richtung „Na, wie war’s für dich, du?“ fragt und dabei immer wieder in dieselbe Kerbe haut. Eher ein Stimmungsbarometer also. Als Kritik laut wird, die Gruppen sollten doch ihre Ergebnisse vorstellen, wird von Managerfragen-Seite schnell abgewiegelt. Kommt doch alles noch, nur irgendwann später. Einige Teilnehmer können dennoch nicht an sich halten. „Das Thema Postwachtum war den Managern überhaupt nicht bekannt“, erzählt eine Bürger-Vertreterin. Und ein anderer bilanziert: „Alle Manager haben sich erstmal ausgekotzt.“ Auch Mister Y nimmt in der Fishbowl-Runde Platz und will auf die Moderatoren-Frage „Wie relevant war das alles?“ antworten. „Extrem relevant“, sagt er. Denn: „Wir fühlen uns nicht mehr verstanden.“ Aha.

Und ein Bürger resümiert für die ’andere Seite‘: „Die Manager sind noch nicht so richtig bereit, über ihre eigenen Unternehmen hinaus zu blicken.“ Ein Eindruck, den ich mit einem anderen Medienmacher beim chill out teile. Es ist noch ein weiter Weg, bis Unternehmen und Manager aktiv gesellschaftliche Verantwortung übernehmen wollen – nicht nur im wohlfeilen Wort, sondern auch in ihrer Geisteshaltung und in der konkreten Tat. Und nicht erst nur, wenn’s brennt. Aber vielleicht zeigt ja das Zusammentreffen mit uns ’engagierten Bürgern‘ bei den Baden-Badener Unternehmergesprächen doch eine gewisse Wirkung und bleibt nicht nur ein netter Programmpunkt unter vielen beim elitären Manager-Stelldichein.

Hinweis: Das BBUG-Treffen mit Bürgern fand unter der sog. Chatham-House-Rule statt: Es darf berichtet und zitiert werden, aber ohne die konkrete Nennung von Personen und ihrer Institutionen.

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© Die Zweite Aufklärung 2015 (Fotos: Lutz Frühbrodt; Titelfoto: Tsang-Lin Wu/Fotolia.com)

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Prof. Lutz Frühbrodt

Lutz Frühbrodt ist seit 2008 Professor für "Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation" an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Zahlreiche Veröffentlichungen zu kommunikations- und wirtschaftspolitischen Themen. Spezialgebiet Mediensoziologie. Zuvor ein knappes Jahrzehnt Wirtschaftsreporter bei der "Welt"-Gruppe - als Teilstrecke seines Marsches durch die Institutionen. Promotion als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität in seiner Heimatstadt Berlin. Volontariat beim DeutschlandRadio Kultur.

1 Comment

  1. […] Heute mal ausnahmsweise in ganz eigener Sache: Ende voriger Woche war ich eingeladen, um bei den Baden-Badener Unternehmergesprächen mit deutschen Spitzenmanagern über gesellschaftliche Verantwortung zu diskutieren. Und natürlich darüber, wie (schlecht) Unternehmen kommunizieren. Die Manager waren überraschend offen. Die Details lesen Sie bei der Zweiten Aufklärung. […]

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