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Von der Fachkonferenz „Content World 2016“ in Frankfurt/Main

Bei der „Content World 2016“ dreht sich alles um die möglichst effektive Kundengewinnung mit Hilfe quasi-journalistischer Marketing-Methoden. Neudeutsch Content Marketing genannt. Doch zwischen den vielen Worten über Best Cases und Best Practices poppen in den Vorträgen und Diskussionen der Content Marketers immer wieder auch ethische Themen hoch. Fast schon inflationär fallen Begriffe wie Glaubwürdigkeit und Authentizität. Doch wie weit ist die Branche wirklich mit einer Ethik des Content Marketing?

Ob sich das Glaubwürdigkeitsbarometer beim Content Marketing immer im grünen Bereich bewegt, wurde auf der Content World 2016 diskutiert. Foto (auch Titelfoto): Olivier Le Moal/Fotolia.

Ob sich das Glaubwürdigkeitsbarometer beim Content Marketing immer im grünen Bereich bewegt, wurde auf der Content World 2016 diskutiert. Foto (auch Titelfoto): Olivier Le Moal/Fotolia.

Gleich der erste Redner auf der Content World macht mehr oder minder gewollt einen Ausflug in das Gebiet der Kommunikationsethik. Michel Clement, BWL-Professor von der Universität Hamburg, spricht zwar in erster Linie über die Erfolgsmessung von Content Marketing (CM), ein noch weitgehend unerforschtes Terrain. Doch mit seiner zentralen Empfehlung schneidet er das Thema direkt an. Bevor ein neues Produkt in den Markt eingeführt werde, solle der Boden mit PR und CM bereitet werden, denn die Interessenten würden in dieser Phase vor allem nach Informationen über das Produkt im Internet suchen.

Erst wenn das Produkt eingeführt sei, sollten laut Clement Werbekampagnen starten. Denn würden bereits in der Pre-Launch-Phase Werbemaßnahmen zusammen mit CM-Aktionen durchgeführt, könnte dies das Misstrauen der Konsumenten wecken. „Content Marketing wirkt glaubwürdiger als Werbung“, sagt Clement. „Deshalb sollte man die beiden Instrumente nicht zusammenschalten.“

Erst das Content Marketing, dann die klassische Werbung?

Aus dem Publikum kommt die Frage, ob diese Logik auf alle Branchen zutreffe, denn Clement hat in einer Studie die Computerspiele-Industrie unter die Lupe genommen. „Games laufen natürlich anders als Hundefutter“, räumt der Marketing-Experte ein. Da werde der Launch einer neuen Version, wenn man denn bei Hundefutter davon sprechen kann, nicht so sehnlich erwartet wie in der Spiele-Community. Bei solchen Produkten, wohl in toto die Mehrzahl, stellt sich dann die weitere Frage, ob sich der Marketing-Mix der Unglaubwürdigkeit noch verhindern lässt.

Klaus Eck ssaß bei der Content World 2016 auf dem heißen Stuhl. Foto: Frühbrodt

Klaus Eck ssaß bei der Content World 2016 auf dem heißen Stuhl.

Das Glaubwürdigkeitsdilemma wird auch – in etwas abgewandelter Form – bei einer „Fragestunde“ mit Klaus Eck zum Thema. Der Eigentümer der Münchener Agentur d.tales gehört zu den führenden Köpfen der CM-Szene und ist wie andere Macher auch quasi täglich damit konfrontiert, dass CM-Auftritte von Unternehmen vom Publikum weniger goutiert werden, wenn das Logo oder der Namenszug des Auftraggebers deutlich erkennbar ist. Höhere Glaubwürdigkeit würden zum Beispiel Webseiten wie Curved.de erzielen, die das dahinter stehende Unternehmen nicht auf den ersten Blick ausweisen. Doch wie lange geht so etwas gut? Fühlen sich die Nutzer nicht erst recht hinters Licht geführt, wenn sie erst spät erfahren, wer der Absender ist? Klaus Eck spricht sich so oder so deutlich für Transparenz aus. Nicht nur gegenüber den Nutzern stellt sich die Frage nach der Glaubwürdigkeit, auch bei den Akteuren selbst.

Kathleen Karrer betreut bei der Deutschen Telekom das CM-Format Electronic Beats. „Wir müssen eine offene Kennzeichnung vornehmen“, sagt Karrer in Anspielung auf Vorgaben des Mutterkonzerns. Als Content Hub für Electronic Beats dient eine Website, weitere Inhalte werden zum Beispiel über einen Youtube-Kanal und die Audioplattform Cloudmix ausgespielt. Daneben gibt es Events, meist Konzerte, auf denen die Telekom-Musiker auftreten. Diese stammen vor allem aus der Szene für elektronische Musik. Und wie Künstler halt so sind, berichtet Karrer, haben einige keine Berührungsängste mit der Telekom. Andere hingegen wollen sich lieber nicht vor den Karren eines Konzerns spannen lassen.

In fast jedem Vortrag auf der Content World 2016 ist von „Glaubwürdigkeit“ und „Authentizität“ die Rede. Doch was genau meinen die Referenten damit? Einzig Anne Thoma vom World Wildlife Fund (WWF) wird konkret. Am Beispiel ihres Filmes „Hope4Whales“ über die Erforschung der Blauwale macht sie klar, was für sie Authentizität heißt: „Echtheit statt Hochglanz. Durchaus auch Schwächen zeigen. Kein Verschönern!“ Thoma arbeitet wohlgemerkt für eine Nichtregierungsorganisation. Ob sich Unternehmen diese Standards wohl auch aneignen?

Fans als Gegenargument auf ethische Kritik

Stefan Heidrich, Geschäftsleiter Maybelline bei L’Oréal Deutschland, berichtet über das Video-Projekt „Maybelline Glossy Talk“, bei dem der Youtube-Star Mrs. Bella andere Digital Influencer interviewt. Zum Schluss seines Vortrags zitiert er einen Auszug aus einem Handelsblatt-Interview mit dem Werbeunternehmer Jean-Remy von Matt: Der hält nämlich Content Marketing für Schleichwerbung. Heidrich reagiert darauf, indem er User-Kommentare wie „Ich liebe Eure Videos!“ über den Glossy Talk rezitiert. Wenn der Verweis auf den Massengeschmack das einzige Argument bleibt, dann wird der weitere Diskurs über die Ethik im Content Marketing allerdings schwer.

© Die Zweite Aufklärung 2016

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Prof. Lutz Frühbrodt

Lutz Frühbrodt ist seit 2008 Professor für "Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation" an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Zahlreiche Veröffentlichungen zu kommunikations- und wirtschaftspolitischen Themen. Spezialgebiet Mediensoziologie. Zuvor ein knappes Jahrzehnt Wirtschaftsreporter bei der "Welt"-Gruppe - als Teilstrecke seines Marsches durch die Institutionen. Promotion als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität in seiner Heimatstadt Berlin. Volontariat beim DeutschlandRadio Kultur.