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Das EU-Parlament bildete nur die erste Zündstufe des dynamischen deutschen Nachwuchspolitikers. Sonneborn will noch weit mehr vom Politker-Leben, nämlich die wahre Liebe. Und die heißt Chultz.

Sekt oder Selters? Diese Frage stellt sich nicht für ihn: Martin Sonneborn.

Sekt oder Selters? Diese Frage stellt sich nicht bei Martin Sonneborn.

Martin Sonneborn, Europas führender Parlamentsclown, kann wohl nicht mehr allzu lange sein Wasser halten, zumindest nicht in Straßburg. „Ich mache das noch, solange es interessant ist“, verriet nun der 2014 überraschend als Hofnarr ins Europäische Parlament gewählte Spitzenpolitiker von der ‘Die Partei‘ bei einem spontanen Treffen mit Spitzenvertretern eines bayerischen Lobbyverbands. Und dann: „Ich werde hier aber nicht nochmal fünf Jahre sitzen.“ Der nächste EU-Urnengang steht 2019 an.

Wirkt etwas verloren im großen Parlament, aber auch bewusst unprofessionell: Martin Sonneborn.

Wirkt etwas verloren im großen Parlament, aber auch bewusst unprofessionell: Martin Sonneborn.

Insider verwundert die zunächst sehr traurig stimmende Ankündigung keineswegs, denn ein Sonneborn kann nur wahrhaft Großkotziges wollen. Nach dem Intermezzo im Europa-Parlament, das wohl eher als eine Art schwachprozentiges Vorglühen verstanden werden darf, soll die Odyssee des rüstigen 51jährigen in der Bundespolitik weitergehen. Offenbar aus Liebe.  „Chulz ist mir nicht komplett unsympathisch“, verrät der komplett unsympathische Partei-Politiker. Wahrscheinlich, weil Sonneborn eine halbstündige Oral-Audienz bei Martin Chulz (SPD) bekam, bevor dieser in die Bundespolitik abdrehte. „Ich habe ihm dabei Koalitionsverhandlungen für 2021 angeboten. Vorher wird es schwer.“

Die beiden Martins oder: Das Traumpaar Schulz-Sonneborn

Für beide Seiten, vor allem aber für die Hellroten. Denn Sonneborn kann stolz verkünden, dass Die Partei derzeit monatlich 600 neue, zudem junge und damit politisch jungfräuliche Mitglieder gewinnen kann und so nun auf eine satte Gesamtmitgliederzahl von 25.000 kommt. Mehr als CDU, SPD, FDP, Grüne, Linke und AfD zusammen. Im Saarland.

Warum Sonneborn noch rechtzeitig den Absprung in die Bundespolitik schaffen will, ist so klar wie ein Bergsee: Der SPD-Euro-Parlamentarier und Ex-Friedensdemonstrant Jo Leinen versucht gerade, eine Drei-Prozent-Hürde für die nächsten Europa-Wahlen durchzusetzen, damit solche „Spinnerparteien wie wir“ (Sonneborn) der großen Koalition nicht mehr einfach sieben Sitze wegnehmen können. Zwar behauptet Sonneborn fest und steif, dass der Vorstoß seines Intimfeindes Leinen wegen seiner, Sonneborns intimen Beziehungen zum EU-Ratsvorsitz(enden) aus Malta keinerlei Chance habe. Doch hier klingt der hochgewachsene Schlacks aus Osnabrück eher wie eine Pfeife im Keller.

Die Partei: Eine lupenreine Bilanz im Europa-Parlament

So oder so – Sonneborn hat in Strasbourg ganze Sache gemacht. Glaubt er zumindest. „Ich kann eine sehr zufriedenstellende Bilanz vorweisen“, sagt er. „Als Abschaum des Parlaments habe ich alle meine Aufgaben erledigt.“ Aufgabe Nummer eins: Über unseriöse Themen, Vorgänge und Personen berichten.

Sonneborn-Martin-Korruptionsgeschenk

Mit Korruption und sündhaft teuren Geschenken hat er keine Probleme: Martin Sonneborn.

Zweitens: „Alte weiße Männer ärgern.“ Bevorzugt Elmar Brocken, „170 Kilogramm CDU“, sowie eben Jo Leinen. Und drittens: Ab und zu auch mal etwas durchblicken lassen, das entfernte Ähnlichkeit mit politischen Standpunkten aufweist. Dies klingt im Zusammenhang mit dem Namen Sonneborn etwas erklärungsbedürftig. “Es gibt verschiedene Arten, auf diesen immer irrsinniger werdenden Kapitalismus zu reagieren“, übt sich der gelernte Versicherungskaufmann in vollendeter Dialektik. „Satire hilft einem aber selber, damit umzugehen.“ Und weiter führt der allseits gehasste Euro-Suppenspucker aus: „Ich habe kein Interesse daran, konstruktiv Politik zu machen, das wäre zu frustrierend. Destruktiv zu sein, macht eindeutig mehr Spaß.“ So darf und muss man wohl Martin Sonneborn weiter viel Erfolg (und Spaß) bei seinem Jahrhundertprojekt eines „ehrbaren Populismus“ wünschen.

© Die Zweite Aufklärung (Alle Fotos: Lutz Frühbrodt)

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Prof. Lutz Frühbrodt

Lutz Frühbrodt ist seit 2008 Professor für "Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation" an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Zahlreiche Veröffentlichungen zu kommunikations- und wirtschaftspolitischen Themen. Spezialgebiet Mediensoziologie. Zuvor ein knappes Jahrzehnt Wirtschaftsreporter bei der "Welt"-Gruppe - als Teilstrecke seines Marsches durch die Institutionen. Promotion als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität in seiner Heimatstadt Berlin. Volontariat beim DeutschlandRadio Kultur.