15.10.2012 – Unser expansives Kulturmodell hat keine Zukunft, die begrenzten natürlichen Ressourcen werden uns zwingen, mit weniger Konsum und weniger Mobilität auszukommen. Verzicht ist angesagt und die Umorientierung auf eine reduktive Moderne. Bei seinem Vortrag am 15.10.2012 in Berlin hat der Soziologie-Professor, Buchautor und Gründer der Stiftung „Futur zwei“ Harald Welzer demonstriert, dass man diese Einsicht auch positiv vermitteln kann: Nämlich als Vision für eine sozial und ökologisch verträglichere Welt mit mehr persönlichem Handlungsspielraum.
Schon jetzt sind die dramatischen Umweltprobleme – Klimawandel, Vermüllung, Bedrohung der Weltmeere – allenthalben bekannt, doch die wenigsten Menschen verhalten sich dementsprechend umweltschonend. Für diese Kluft zwischen Bewusstsein und Handeln macht Welzer die öffentliche Negativkommunikation verantwortlich: Verzicht zu leisten, damit alles so bleibt, wie es ist – diese Aufforderung ruft keine grundsätzliche Veränderungsbereitschaft beim Menschen hervor, oder einfacher formuliert: Der Appell ist nicht gerade sexy.
Die Vision von der Zukunft muss darum positiv formuliert werden: „Ich brauche keinen Klimawandel, um eine autofreie Innenstadt gut zu finden“, so fasst Harald Welzer sein Credo zusammen. Ihm geht es darum, Vorbilder und Ideen zu vermitteln von einer Gesellschaft, die im Einklang mit der Natur lebt, auf persönlicher Selbstbestimmung und kooperativem Austausch beruht. Im „Zukunftsalmanach 2013“ hat die Stiftung „Futur zwei“ darum Geschichten zusammengetragen von engagierten Unternehmen, Schulen und Bürgern für eine sozial und ökologisch nachhaltige Welt. Sie sollen als Inspiration dienen und belegen, dass jeder in seiner eigenen Lebenswirklichkeit etwas Sinnvolles tun kann.
Den Namen „Futur zwei“ hat sich die Stiftung nicht nur gegeben, weil es gut klingt, sondern auch wegen der grammatischen Bedeutung: Eine abgeschlossene Handlung in der Zukunft a là „die Welt wird verbessert worden sein“. Genau diese Perspektive muss man einnehmen, um eine positive Vision von der Zukunft zu bekommen.
Der Politik und den Parteien traut Welzer in diesem Zusammenhang wenig zu und bekennt: „Ich bin nicht so für Verordnungen“. Er setzt ganz auf zivilgesellschaftliches Engagement, weil die Lösungen eleganter seien, wenn die Menschen etwas gern tun. Vor den rund 100 Teilnehmern an dem Abend in der Berliner Urania bringt er diese Botschaft eloquent herüber. Und doch bleibt die Frage nach dem Futur eins, nach der näheren Zukunft zurück – und ob bürgerschaftliches Engagement allein dafür sorgen kann, die auf Expansion getrimmten Wirtschaftsstrukturen umzukrempeln.
Annette Floren
© Die Zweite Aufklärung 2012