Print Friendly, PDF & Email

Kleines Jubiläum: Die Salon-Teilnehmer kamen im August 2012 zum zehnten Mal zusammen. Zur Feier des Abends gehörte natürlich auch ein guter Roter dazu. Foto: Zweite Aufklärung

 

12. Salon am 9.11.2012 – LobbyControl zu Gast bei der Zweiten Aufklärung: „Wie lässt sich der Lobbyismus bändigen?“

Ist der Lobbyismus so etwas wie ein Krebsgeschwür der Demokratie? Ist es legitim, dass sich Geld (von Unternehmen) Meinung und politischen Einfluss kaufen darf? LobbyControl dürfte wohl zu den wichtigsten Nichtregierungsorganisationen unserer Zeit gehören. Denn die NGO versucht, die Auswüchse des Lobbyismus in Deutschland einzudämmen – und dies durchaus mit Erfolg. Dabei ist öffentliche Aufklärung eines der wirksamsten Mittel, wie beim Gastvortrag am 9. November 2012 von Timo Lange, Leiter des Berliner Büros von LobbyControl, deutlich wurde.

LobbyController Lange. Foto: LF

„Zum Teil geht es aber auch über den Gesetzesweg“, sagte Lange. So fordert die NGO die Einrichtung eines offiziellen Registers, in dem sich die rund 6000 Lobbyisten in der Hauptstadt eintragen und über ihre konkreten Aktivitäten Auskunft geben sollen. Dies gilt nicht nur für Vertreter von Unternehmen und Verbänden, sondern auch für Anwaltskanzleien, PR-Agenturen und Mitgliedern einschlägiger „Denkfabriken“, die im Berliner Regierungsviertel antichambrieren. Laut Lange gibt es mittlerweile eine systematische Durchdringung des Parlaments und des Regierungsapparates durch die Lobbyisten, die ihre fachliche Expertise einbringen und ihre oft auch legitimen Interessen artikulieren, aber eben nicht nur die.

„Dabei herrscht eine Asymmetrie von Ressourcen, die die durch die herrschende Intransparenz noch verstärkt wird“, so Lange. Noch extremer seien allerdings die Verhältnisse in Brüssel, wo eine kritische Medienöffentlichkeit fehle, die die Aktivitäten der Lobbyisten unter die Lupe nehme. Angesichts der zunehmenden Machtkonzentration durch die EU ist dies keine erfreuliche Perspektive.

In der anschließenden Diskussion herrschte große Einigkeit darüber, den Lobbyismus in Deutschland zurückzudrängen. Offen blieb jedoch, wie wirksam ein Lobbyregister und damit mehr Transparenz seien, denn die USA haben schon lange ein solches Register eingeführt und sind dennoch das Land der Lobbyisten. Umstritten war auch, ob die Asymmetrie von Ressourcen und Zugang sich jemals aufheben ließe, weil Kapitalismus und Demokratie nicht voll kompatibel seien.

 

11. Salon am 12.10.2012 – „Stiftungsunternehmen – eine demokratische Alternative zum konventionellen Marktmodell?“

Der Kapitalismus befindet sich in der Dauerkrise. Gibt es aber einen Gegenentwurf – nicht nur auf volkswirtschaftlicher,sondern auch auf Unternehmensebene? Lutz Frühbrodt von der „Zweiten Aufklärung“stellte im Rahmen des 11.Salons das Modell des Stiftungsunternehmens vor. Dabei ging es nicht um die Variante „Bertelsmann“ oder „Lidl“, bei denen mit Stiftungskonstruktionen vor allem Steuern gespart und absichtlich Intransparenz geschaffen werden sollen.

Eine Reinigungsmaske von Dr. Hauschka. Hersteller Wala ist ein Stiftungsunternehmen. Foto: Wala

Es ging vielmehr um Unternehmen, deren frühere Eigentümer das Unternehmenskapital in einer Stiftung „neutralisiert“ haben, damit es frei von Eigentümerinteressen agieren kann – genau das Gegenstück zum Shareholder-Value-Prinzip.Das erste Unternehmen dieser Art war bereits Ende des 19. Jahrhunderts Carl Zeiss, heute sind es vor allem größere Mittelständler wie der Kosmetikhersteller Wala („Dr. Hauschka“) oder die Autohauskette Hoppmanns Autowelt. Diese Firmen nutzen einen Teil ihrer Gewinne, um ihre Eigenkapitalbasis zu stärken und um so weitgehende Unabhängigkeit von den Banken wahren zu können. Der andere Teil wird für notwendige Investitionen aufgewendet und als Beteiligung an die Mitarbeiter ausgeschüttet. Beide Unternehmen bewegen sich in ethisch-sozialer Weise im Markt. Hoppmann hat sogar ein Mitbestimmungsmodell installiert, das weit über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgeht und eine echte Mitsprache der Beschäftigten garantiert.

In der Diskussion wurde deutlich, dass die Stiftungskonstruktion eine hervorragende Voraussetzung für gesellschaftlich verantwortungsvolle Unternehmen bildet: Im Gegensatz etwa zum patriarchalisch und damit auch mitunter willkürlich geführten Familienbetrieb werden hier bestimmte Mechanismen und Verhaltensgrundsätze dauerhaft institutionalisiert. Allerdings ist auch bei Stiftungsunternehmen nicht völlig auszuschließen, dass deren Vorstände ethisch und/oder unternehmerisch immer die besten Entscheidungen treffen. Sie müssen ihre Überzeugungen umsetzen und zugleich in der Marktwirtschaft bestehen. Dennoch war sich die Runde einig, dass diese Art von Stiftungsunternehmen noch mehr öffentliche Aufmerksamkeit verdient hat, um als echte Alternative zum konventionellen Unternehmensmodell stärker in das Blickfeld der Politik zu rücken.

 

10. Salon am 10.08.2012 – Sommerkino: „Joschka und Herr Fischer“

Der Salon nullt erstmals – als Ehrengast war Joschka Fischer geladen, allerdings nur per Sommerkino zugeschaltet mit dem Film „Joschka und Herr Fischer“. Pepe Danquarts Film aus dem Jahre 2011, der Fischer ausführlich zu Wort kommen lässt und wenig Distanz zu seiner Person zeigt, belegte eine schon frühere „Einsicht“ des gewichtigen Ex-Bundesaußenministers: Dass nämlich die Veränderung des Menschen durch das Amt schneller gehe als die Veränderung des Amtes durch den Menschen.

So empfanden die Diskussionsteilnehmer Fischers Einlassungen über weite Strecken als selbstgerecht, während der private „Joschka“ kaum einmal hervortrat. Lediglich zum berühmt gewordenen Turnschuhauftritt – Fischers Vereidigung als hessischer Umweltminister 1985 – kam persönlich Interessantes zur Sprache: Sein bewusst lässiger Aufzug sei eine Inszenierung gewesen, gab er zu, für ihn fast ein bisschen peinlich. Er selbst habe während der Vereidung nur gedacht, „bloß keinen Fehler machen“. Was wäre Joschka Fischer ohne die Grünen gewesen, was die Grünen ohne Joschka Fischer? Diese Fragen ließ der Film offen, in der Diskussion wurden sie dafür umso eifriger behandelt. Am Ende haben sich beide sehr viel stärker vom herrschenden System absorbieren lassen, als sie sich das während ihrer Sturm-und-Drang-Zeit hätten träumen lassen.

 

 

9. Salon am 8.6.2012: „Obama gegen Romney – Wahlkampf in einem gespaltenen Land“

Amerika-Experte Thomas Greven/Foto: Frühbrodt

Obwohl Mitt Romney vor der heißen Phase des US-Wahlkampfes wie ein farblos-aalglatter Vertreter der Wirtschaft wirkt, stehen die Chancen des republikanischen Kandidaten nicht schlecht. Die Präsidentschaftswahl im November dürfte zumindest deutlich knapper werden als 2008, prognostiziert der Amerika-Experte Dr. Thomas Greven, der gerade von einem längeren USA-Aufenthalt zurückgekehrt ist. „Die Enttäuschung über Obamas Politik ist überall im Land sehr groß, vor allem aber bei denen, die ihn vor vier Jahren gewählt haben“, sagte Greven beim neunten Salonabend der „Zweiten Aufklärung“ in Berlin.

Obama habe so gut wie keine Maßnahmen im Geiste des gesellschaftlichen Fortschritts durchgesetzt, so der Politikwissenschaftler. Zudem sei durch seine Wahl als erster schwarzer Präsident der USA die Spaltung des Landes vorangetrieben worden – wohlgemerkt von ihm ungewollt. Vielmehr hätten die Großunternehmen als Geldgeber der oppositionellen Republikaner die rechtspopulistische Tea-Party-Bewegung vor ihren politischen Karren gespannt: Mit ihrer anti-intellektuellen Fundamentalopposition habe die Tea-Party die Polarisierung und damit die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft vorangetrieben. Die rechtskonservativen Republikaner lehnen das Recht auf Abtreibung und die Homo-Ehe ab, ebenso fast alle staatlichen Eingriffe. Sie wollen die Steuern senken, zugleich aber strikte Budgeteinsparungen durchsetzen. Damit sprechen sie gezielt die weiße Wahlbevölkerung an, vor allem die weniger gebildete, die oft durch rassistische Affekte geprägt sei.

Gerade in der Wirtschafts- und Sozialpolitik bestimmten die Konservativen schon seit Jahrzehnten die politische Debatte, hat Greven, Autor des Buches „Die Republikaner“ (2004), beobachtet. Deshalb beurteilt er auch die Perspektiven der Demokratischen Partei eher skeptisch, zumindest so lange diese ihre ursprüngliche Stammwählerschaft, die wirtschaftlich Unterprivilegierten, nicht mehr überzeugend vertrete.

 

8. Salon am 20.04.2012: Im Dauerbeschuss der Werbung

Immer mehr Werbebotschaften bekommen wir um die Ohren gehauen, aber nur selten reflektieren wir ihre Mechanismen und Wirkungsweisen. Einen sehr drastischen Einstieg ins Thema vermittelte der Film „39,90“ (Frankreich 2007), basierend auf dem gleichnamigen Roman von Frédéric Beigbeder. Der Autor hat selbst lange in der Werbebranche gearbeitet und schildert gnadenlos, wie platte Werbeslogans entstehen und Kunden mit immer neuen Kampagnen verführt werden.

Im Anschluss an den Film stellte Annette Floren die wichtigsten Thesen aus ihrem Essay „Im Dauerbeschuss der Werbung“ vor:

  • Niemand kann unbeteiligt von Werbung bleiben. Wir zahlen immer mit Geld und mit Aufmerksamkeit drauf.
  • Werbung vermittelt ein bestimmtes Menschen- und Gesellschaftsbild. Sie reduziert den Menschen auf seine Rolle als Konsument, der mit bestimmten Produkten seine eigene Identität konstituiert. Und sie gibt niemals Ruhe, weckt immer neue Bedürfnisse.
  • Um sich den Manipulationen der Werbung zu entziehen, braucht man einen persönlichen Spam-Filter.

Anschließend diskutierten die Teilnehmer, wie Werbung zur Markenbildung beiträgt, welche sachlich gerechtfertigten und emotional aufgeladenen Botschaften damit verknüpft sind. Sie warfen die Frage auf, inwieweit Werbung einen – manchmal durchaus willkommenen – „shortcut“ darstellt und den Menschen damit von komplizierten Kaufentscheidungen entlastet. Die Diskussion führte aber auch zu dem Ergebnis, dass Werbung stark eingebunden ist in unser Wirtschaftssystem, das nach stetigem Wachstum verlangt. Im Umkehrschluss: Weniger Werbung, weniger Konsum, weniger Stabilität für den Kapitalismus.

 

7. Salon am 16.3.2012: Gibt es eine europäische Identität?

Eine europäische Identität kann nicht staatlich verordnet werden, glaubt Referent Axel Schmidt / Foto: LFto: LF

Die aktuelle Euro- und Budgetkrise wirft auch grundsätzliche Fragen auf: Was macht Europa aus? Ist der Zusammenhalt der Mitgliedsländer seit der Krise größer geworden? Oder nehmen die Zentrifugalkräfte zu? Und – in diesem Zusammenhang: Gibt es überhaupt so etwas wie eine europäische Identität? Ja, lautete die These von Axel Schmidt, aber es sei zugleich Kernbestandteil dieser Identität, diese zu leugnen. Schmidt, der selbst für eine große europäische Behörde tätig ist, nahm in seinem Vortrag einen Streifzug durch mehrere Jahrhunderte europäischer Politik- und Kulturgeschichte vor. Er gelangte dabei zu dem Ergebnis, dass die geistigen Grundfesten einer europäischen Identität schon lange vor Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1957 gelegt worden seien – durch die christliche Wertegemeinschaft, durch die universellen Werte der Aufklärung sowie durch die jahrhundertelange gemeinsame Kultur.

Im Anschluss an den Vortrag wurde darüber diskutiert, ob der Fokus der europäischen Einigung in den letzten Jahrzehnten nicht zu sehr auf ökonomischen und machtpolitischen Aspekten gelegen habe und ob es nicht sinnvoller sei, sich auch wieder stärker auf die ideellen Werte zu besinnen, um die gemeinsame Identität bei den Bürgern Europas weiter zu entwickeln.

 

6. Salon am 10.02.2012: Lehren aus der Ersten Aufklärung

Die Aufklärung ist keine abgeschlossene historische Episode, zeigt Annette Floren in ihrem Referat und erklärt, dass wir noch heute wichtige Impulse für Menschenwürde, geistige Entfaltung und Mündigkeit daraus beziehen können. Kants berühmt gewordene Kritik an der selbst verschuldeten Unmündigkeit des Menschen, begründet in Faulheit und Feigheit, ist heute mindestens ebenso aktuell wie vor gut 200 Jahren. Auch die Befreiung von Dogmen und Manipulation, stattdessen der Glaube an die Vernunft als universelle Urteilsinstanz, bleiben dauerhaft wichtige Werte.

Der Vortrag blickt zurück ins 18. Jahrhundert und auf die Auswirkungen der Aufklärung in Frankreich (Französische Revolution / Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte), Preußen (Friedrich der Große als eher theoretischer Freund der Aufklärung) und die USA (Unabhängigkeitserklärung). Fazit: Die Ideen der Aufklärung sind die notwendige Voraussetzung für eine demokratische, humane Gesellschaftsordnung – aber sie garantieren sie noch nicht. Sie müssen ständig neu mit Leben gefüllt werden. Dies ist nicht nur eine Aufgabe der Intellektuellen, sondern auch der Politik, des Bildungssystems und der Medien.

© Die Zweite Aufklärung 2012

Previous post

Im Zeitalter der Gegenaufklärung

Next post

Die Zweite Aufklärung zeichnet das "Zapp"-Magazin mit Medienpreis aus

admin