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Die PR-Abteilungen der Profi-Clubs übernehmen zunehmend die Kontrolle über die Kommunikation. Aus Events werden Inszenierungen. Aber auch die klassischen Medien wahren oft nicht ausreichend Distanz zum Bundesliga-Business. Selbst einige öffentlich-rechtliche Sender wollen mitprofitieren.

Von René Martens

Teil 2: Wie sich die klassischen Medien immer mehr anpassen

Die Clubs steuern die Kommunikation mit der Öffentlichkeit immer stärker, inzwischen oft auch in Eigenregie. An einem Teil dieser Entwicklung sind die klassischen Medien selbst schuld. Es „offenbart sich vor allem ein Problem der traditionellen Sportberichterstattung, die in der jüngeren Vergangenheit zu viele Aufgaben des Journalismus wie Kritik und Kontrolle vernachlässigt hat und sich oft nur auf Aktualität und den emotional gefärbten Transport von Top-Sport-Events konzentriert hat“, meinen die Professoren Thomas Hestermann und Thomas Horky von der Macromedia Hochschule Hamburg. Mit anderen Worten: Weil der Sportjournalismus seine originären Aufgaben vernachlässigt hat, es versäumt hat, sein Profil zu schärfen, und er von den Inhalten von Unternehmensmedien immer schwerer zu unterscheiden war und ist, hat er jetzt ein Problem.

Der Inbegriff des kritischen Sportjournalismus? ZDF-Reporter Béla Réthy. Foto:obs/ZDF/Jean-Francois Deroubaix"

Der Inbegriff des kritischen Sportjournalismus? ZDF-Reporter Béla Réthy. Foto:obs/ZDF/Jean-Francois Deroubaix“

Auch sogenannte Medienpartnerschaften zwischen Vereinen und Sendern oder Verlagshäusern können einen steuernden Einfluss auf die Berichterstattung haben. Als Hannover 96 und die NDR Media GmbH, die Werbetochter des NDR, 2014 eine Verlängerung ihrer Zusammenarbeit bis zum Ende der Saison 2017/2018 verkündeten, hieß es, finanziert werde „die Zusammenarbeit nicht aus Gelder des Rundfunkbeitrags, sondern aus Werbeeinnahmen; die journalistische Unabhängigkeit des NDR bleibt unberührt“. Markus Völker, Sportredakteur der taz, sagt dagegen: “Mit einer Medienpartnerschaft endet der Journalismus.“ Darauf deutet auch eine Formulierung aus der vom Sender anlässlich der Vertragsunterzeichnung verbreiteten Mitteilung hin: „Kernstück der Kooperation bleibt die ‚NDR 2 Fanshow‘ vor den Heimspielen des Erstligisten in der Arena. NDR-2- Moderator Stefan Kuna wird die ‚Roten‘“ auch in den kommenden Jahren direkt am Spielfeldrand unterstützen.“ Mitarbeiter von öffentlich-rechtlichen Sendern haben aber nun mal nicht die Aufgabe, Profifußballteams zu „unterstützen“.

Der NDR, Hannover 96 und das Problem mit der Kritik

Die Vereinbarung zwischen Verein und Sender erschien im März 2015 dann teilweise in einem anderen Licht. Am Abend des 8. März veröffentlichte der NDR auf seiner Website einen Artikel, der einen Konflikt zwischen Fans von Hannover 96 und Martin Kind, dem autokratischen Präsidenten des Klubs, thematisiert. Dabei ließ der Autor auch die Fan-Organisation Rote Kurve zu Wort kommen. Eine Position aus der Szene fasste er mit den Worten, die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) betreibe „Meinungsmache im Sinne des Präsidenten“, zusammen. Am nächsten Vormittag verschwand der Text kommentarlos, um am Abend wieder aufzutauchen – in einer neuer Fassung, bereinigt um vereins- und medienkritische Formulierungen. Der NDR begründete die nachträgliche Umschreibung des Beitrags damit, dass der Ursprungstext „in Teilen kommentierend“ geraten sei. Dies sei „ein handwerklicher Fehler“ gewesen. Erfreulicherweise ist im Netz bis heute der Originaltext verfügbar, weshalb jedermann überprüfen kann, ob daran handwerklich wirklich etwas auszusetzen ist.

Das ZDF, Dynamo Dresden und der vorauseilende Gehorsam

Ähnliches ereignete sich zu der Zeit beim ZDF: Der Sender löschte einen bei zdf.de erschienenen Text eines freien Mitarbeiters, ohne vorher mit ihm Rücksprache zu halten. In dem Beitrag kritisierte der Leipziger Sportjournalist Ullrich Kroemer, wie der damals in der 3. Liga spielende Klub Dynamo Dresden mit gewalttätigen Fans umgeht. Daraufhin beschwerte sich Dynamos damaliger Geschäftsführer bei ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz über den Text. Wobei der Sendermanager betont, dass man den Beitrag aus „redaktionellen Gründen“ bereits vor dem Anruf des Vereinsvertreters aus dem Netz genommen habe. Das wirft natürlich, ähnlich wie der Fall NDR/Hannover 96, die Frage auf, warum einem großen Medienhaus die „redaktionellen Gründe“, die möglicherweise gegen die Veröffentlichung eines Beitrags sprechen, erst auffallen, nachdem er bereits publiziert ist.

Manche Fußballvereine, das zeigt das Beispiel Dresden, scheinen die Medien in einer ähnlichen Rolle zu sehen wie in einer Mittelstadt der Gewerbetreibende, der erwartet, dass die Lokalzeitung einen euphorischen Text über die Neueröffnung seines Ladens bringt. Sollten die klassichen Medien darauf weiterhin mit Wohlverhalten reagieren, dürfte das ihren Bedeutungsverlust eher noch beschleunigen.

Teil 1: Wie die Vereine verstärkt eigene Medienkanäle nutzen

René-Martens-Porträt-kRené Martens arbeitet als freier Journalist in Hamburg unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, die Stuttgarter Zeitung, Zeit Online und die taz. Er gehört zum Autorenteam der preisgekrönten Medienkolumne Altpapier und hat mehrere Bücher über den FC St. Pauli geschrieben.

© Die Zweite Aufklärung 2016 (Foto Martens: Marit Hofmann)

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