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23.01.2013 – Die Sehnsucht nach einem guten Leben ist so alt wie die Menschheit selbst. Manche Staaten schreiben das Recht auf ein gutes Leben sogar in ihren Verfassungen fest. Doch offensichtlich ist diese Sehnsucht bis heute nicht ganz leicht zu erfüllen, wie zahllose Coaching- und Lifestyle-Angebote und eine ins Kraut schießende Ratgeberliteratur belegen. Die folgenden Überlegungen wollen zu einer verantwortungsvollen, kreativen, befriedigenden Lebens-gestaltung anregen. Und zeigen: Des Glückes Schmied ist man nicht allein. 

Jeder will es haben – aber wie genau sieht es aus, das gute Leben?  Die Werbeindustrie scheint die  Antwort zu kennen: Sie suggeriert, dass der Kauf und Konsum bestimmter Produkte glücklich macht, verspricht uns also, dass man die Zutaten zum Glück einfach kaufen kann. Tatsächlich prägen aber vor allem nicht-kommerzielle Faktoren das gute Leben.

Zwar ist die materielle Situation natürlich von Belang für das persönliche Glück – denn wenn das Geld an allen Ecken und Enden fehlt, bildet dies eine empfindliche Einschränkung. Um möglichst vielen Menschen die Voraussetzungen für ein glückliches Leben zu schaffen,  sollten darum Einkommen und Vermögen in der Gesellschaft fair verteilt sein.

Immer mehr Geld steigert aber das Glücksempfinden kaum noch, schon gar nicht dauerhaft, denn der Mensch hat nicht nur materielle Bedürfnisse. Sobald also ein gewisser Lebensstandard erreicht ist, den freilich jeder selbst festlegt, geht es um Beziehungen statt Kontoauszüge, Kreativität statt Konsum, Persönlichkeit statt Labels, Sinn statt Kommerz.

 

Dolce vita oder Gut-Mensch-Leben?

Eine feucht-fröhliche Wasserparty in der US-amerikanischen Spaßgesellschaft. Foto: Frühbrodt

Beim Reflektieren über das Glück denkt man einerseits an ein schönes, angenehmes Leben; und wenn man ein wenig vor sich hin träumt, landet man schnell beim „dolce vita“, einem Leben mit vielen Vergnügungen, wenigen Pflichten und gar keinen Sorgen –  also der Vorstellung von Liegestuhl, Sonnenschein und Party rund um die Uhr. Allerdings ahnt man auch, dass dieses süße Leben recht bald langweilig werden könnte, und schon meldet sich das Gewissen: Wer ein gutes Leben führt, verhält sich moralisch integer und verantwortungsvoll, tut Gutes im eigenen Wirkungskreis, egal wie groß oder klein dieser ist, und auch dies kann durchaus beglückend sein, sei es durch persönliche Erfolgserlebnisse oder die Wertschätzung von anderen.

Das gute Leben bewegt sich also im Spannungsfeld zwischen den persönlichen Bedürfnissen und der sozialen Umwelt. Für die individuelle Komponente verspricht die Glücksforschung Erkenntnisse; was die Interaktion mit den Mitmenschen anlangt, kann die Moralphilosophie Orientierung geben. Und was hat das Ganze mit Politik zu tun? Der Staat kann niemandem ein gutes Leben garantieren. Aber er sollte die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Voraussetzungen schaffen, um die Menschen individuell dazu zu befähigen.

 

Aristoteles und die Glückseligkeit

Einer der ersten Glückforscher: Aristoteles. Foto: Wikicommons

Seit einigen Jahren boomt in der westlichen Welt die Glückforschung. Doch es existieren sehr viel ältere Überlegungen zu der Frage, wie der Mensch zum Glück findet. In der Nikomachischen Ethik, entstanden im 4. Jahrhundert vor Christus, erklärt der griechische Philosoph Aristoteles die Glückseligkeit als das große Ziel allen menschlichen Lebens, und diese Glückseligkeit, so Aristoteles, besteht aus den Elementen des Gut-Lebens und Sich-Gut-Verhaltens.

Zwei Aussagen stehen im Mittelpunkt. Erstens: Die Suche nach der Glückseligkeit ist das große, umfassende Prinzip menschlichen Lebens; alle anderen Ziele – wie z.B. Reichtum, Lustbefriedigung, Freundschaften, Gesundheit – sind untergeordnet und nur Mittel zu eben diesem einen großen Zweck. Diese Anordnung hilft, manchen als Selbstzweck erscheinenden Wert zu entzaubern. Diese Glückseligkeit soll man sich, zweitens, nicht als Zustand (als Bilanz eines gelungenen Lebens) vorstellen, sondern als fortwährende Tätigkeit, auch als „Tätigkeit der Seele“.  Die Glückseligkeit kann man demnach nicht in seinen Besitz bringen und horten; sie verlangt vielmehr nach Bewegung und auch nach geistiger Betätigung.

 

Was wirklich glücklich macht

Glück zu haben, ist schön, glücklich sein noch besser. Foto: A. Kirchhoff/pixelio.de

Jeder Mensch hat ganz konkrete eigene Vorstellungen davon, was ihn glücklich macht. Doch dank empirischer Untersuchungen lassen sich allgemeine Zutaten benennen, aus denen sich ein gutes (schönes, glückliches) Leben zubereiten lässt. Das aristotelische Streben nach Glückseligkeit ist heutzutage ein Thema der Glücksforschung in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, die sich, wohlgemerkt, mit dem Glücklich-Sein, nicht mit dem Glück-Haben befasst. Der US-Glücksforscher und Psychologe Martin Seligman bringt das gute Leben auf den Punkt mit dem Dreiklang von „pleasure, engagement, meaning“, also Genuss, Aktivität und sinnerfülltem Leben. Diese Definition macht klar, dass das Glück nicht nur daraus besteht, es sich gut gehen zu lassen –  so schlicht ist der Mensch glücklicherweise nicht. Realistische Ziele zu setzen und zu erreichen und die eigenen Fähigkeiten immer wieder herauszufordern bedeuten zwar Anstrengungen, aber ermöglichen dafür auch ein Glücklich-Sein auf höherem Niveau.

 

Geld und Glück

Der deutsche Glücksforscher Karlheinz Ruckriegel, Professor für Volkswirtschaftslehre, hat in Umfragen herausgefunden, dass ökonomische Faktoren beim glücklichen Leben keineswegs die Hauptrolle spielen. Mindestens ebenso große Bedeutung für das persönliche Wohlergehen  misst er gelingenden und liebevollen sozialen Beziehungen mit der Familie, Freunden und Kollegen bei. Zufriedene Menschen verfügen nach seinen Forschungen außerdem über Gesundheit, Engagement und befriedigende Tätigkeiten (das muss nicht zwangsläufig Erwerbsarbeit sein). Freiheit und Selbstbestimmung gehören ebenso dazu wie eine innere Einstellung, die es erlaubt, das Glück nicht nur zu suchen, sondern auch zu finden. Einfacher ausgedrückt: Optimismus.

Viel Geld = viel Glück? Diese Rechnung geht nicht auf. Foto: M. Staudinger/pixelio.de

Dass der materielle Faktor für die persönliche Zufriedenheit nur einen begrenzten Wert hat, ist ein Ergebnis der Glückforschung, das auf den ersten Blick vielleicht erstaunt: Zu dem hohen Stellenwert von Geld in unserer Gesellschaft und den allgegenwärtigen Glücksversprechen der Werbung passt es jedenfalls nicht. Aller öffentlicher Suggestion zum Trotz betont Ruckriegel, dass das Geld für das Glücklichsein keine besondere Bedeutung mehr habe, sobald die materiellen Grundbedürfnisse wie Essen, Kleidung und Wohnung bezahlt seien. Ab einem bestimmten Wohlstandsniveau ist mehr Geld also nicht gleichbedeutend mit mehr Glück. Daraus folgt: Wenn sich Menschen ständig mit wohlhabenderen Mitmenschen vergleichen und völlig auf Geldverdienen fixieren, geraten sie in eine „hedonistische Tretmühle“ und handeln letztlich unökonomisch in dem Sinne, dass sie trotz aller Anstrengung ihr Glück nicht maximieren.

Als effektiver kann es sich für das persönliche Lebensglück sogar erweisen, bewusst auf Einkommen zu verzichten und die Erwerbsarbeitszeit zu reduzieren, wenn diese in erster Linie als lästige Pflicht empfunden wird. Im Gegenzug gewinnt man damit mehr Kapazitäten für wirklich erfüllende, sinnstiftende Tätigkeiten: Das können Hobbys sein, Ehrenämter, oder auch neue alternativ-kooperativen Projekte wie z.B. Tauschbörsen, Lesepatenschaften, Urban Gardening und vieles mehr. Als „Downshifting“ hat sich dieses Modell, das sich bewusst von den sozioökonomischen Normen des herrschenden Systems befreit, in den letzten Jahren sogar schon einen Namen gemacht.

 

Gar nicht so altmodisch: Tugenden

Alleine glücklich sein? Nur halb so schön! Foto: Pasha Ignatov / istockphoto

Das persönliche Wohlergehen ist immer auch vom Wohlergehen anderer abhängig. Niemand kann ein gutes Leben führen, wenn vor der Haustür Unzufriedenheit und Elend herrschen, und so wie  Familie, Freunde, Kollegen, und Bekannte zum Wohlbefinden des einzelnen beitragen, wirkt der einzelne wiederum auf deren Wohlbefinden ein. Ein gutes Leben bedeutet also auch, jedem anderen die gleichen Rechte zuzubilligen wie sich selbst und sich entsprechend zu verhalten. In diesem Zusammenhang noch einmal zurück zu Aristoteles: Zum guten Leben, so der griechische Philosoph vor über 2000 Jahren, gehört es auch, sich gut zu verhalten. Dazu zählt er in der Nikomachischem Ethik eine Reihe von Tugenden auf, die sich aus der vernunftbezogenen Tätigkeit der Seele entwickeln und an denen er gutes Verhalten bemisst, u.a. Gerechtigkeit, Tapferkeit, Großzügigkeit, Milde, Besonnenheit, Freundschaftlichkeit und Wahrhaftigkeit. Ebenso wie Aristoteles‘ Überlegungen zur Glückseligkeit haben auch diese aufgelisteten Tugenden keineswegs nur in der Antike ihren Wert.

 

Gutes-Tun als allgemeines Gesetz

Die Verantwortung, die dem Menschen als vernunftbegabtes Lebewesen zukommt, begegnet uns auch Ende des 18. Jahrhunderts bei Immanuel Kant wieder. Nicht nur die berühmte Definition der Aufklärung geht auf ihn zurück („Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“). Mindestens ebenso bekannt ist sein Kategorischer Imperativ: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Immanuel Kants Kategorischer Imperativ

Gern wird dieser Satz mit der volkstümlichen Weisheit übersetzt: „Was Du nicht willst, was man Dir tu, das füg auch keinem andern zu“. Diese Aussage trifft den Kern des Kategorischen Imperativs aber nicht vollständig. Sie richtet sich zweckorientiert an dem Wunsch aus, Unerwünschtes von sich selbst fern zu halten. Kant erhebt dagegen die Moral zu einem bedingungslosen, universellen Prinzip, zu einem philosophischen Glaubensbekenntnis, aus dem sich alles andere ergibt. So drückt sich im Kategorischen Imperativ letztlich der Wille zum Guten aus und eine Absage an ein rein egoistisches Menschenbild.

 

„Pursuit of hapiness“ und „Vivir bien“

Dass Staaten sich um das Wohlergehen ihrer Einwohner kümmern oder dies zumindest für sich in Anspruch nehmen, ist eine Wurzel ihrer Legitimation. Dies bringen sie auf unterschiedliche Weise auch in ihren Verfassungen zum Ausdruck. Das deutsche Grundgesetz spricht einleitend von der „Verantwortung gegenüber Gott und den Menschen“ und dem Schutz der unantastbaren Würde des Menschen. Die USA formulierten bereits in ihrer Unabhängigkeitserklärung  im Jahre 1776 das „pursuit of happiness“ als Leitfaden. Und Ende der 1970er Jahre verankerte das Königreich Bhutan die Steigerung des „Bruttonationalglücks“ und die „Glücksförderung“ als Verfassungsziele.

Die Natur als Rechtssubjekt? Foto: Kudischmidt/pixelio.de

Bolivien und Ecuador haben vor einigen Jahren das Recht auf ein gutes Leben, auf „vivir bien“, in ihren Staats-verfassungen verankert; vorangegangen waren in beiden Ländern Regierungswechsel von rechts nach links. Dieses hehre Ziel in den neuen Verfassungen, von Kritikern als leere „Verfassungslyrik“ bespöttelt, markiert einen politischen Paradigmenwechsel und ist konkret ausformuliert: Das Recht auf ein gutes Leben beinhaltet das Recht auf Ernährung, Gesundheit, Erziehung und Wasser für alle ethnischen Bevölkerungsgruppen des Staates. Eine wesentliche Ergänzung findet das Konzept darin, dass die Natur, die „madre tierra“, als eigenes Rechtssubjekt anerkannt wird, für deren Erhalt und Gedeihen der Staat verantwortlich ist.

Die indigenen Völker stellen in Bolivien und Ecuador einen Großteil der Bevölkerung. So berufen sich auch die Verfassungen explizit auf indigene Wertvorstellungen: Als Ideal gilt ein Gleichgewichtszustand zwischen Mensch und Natur, wobei die Auffassung von der Natur, vom Sein mit und in der Natur, stark spirituell geprägt ist. Diese Harmonie mit der Natur spielt eine weit größere Rolle als wirtschaftliches Wachstum und Besitz. Insofern wendet sich das „Gute Leben“-Konzept Boliviens und Ecuadors nicht nur bewusst gegen die frühere koloniale Herrschaft der ferneren und die kapitalistischen Systeme der jüngeren Vergangenheit; es grenzt sich auch deutlich vom Stil der linken Regierungen in Brasilien und Venezuela ab.

Auch wenn sich uns hierzulande die spirituelle Komponente des „vivir bien“ nur schwer erschließen mag, so sorgen die Ideen für das gute Leben auch diesseits des Atlantiks für Aufmerksamkeit. Dies ist leicht nachvollziehbar angesichts von Umweltzerstörung und der Legitimitätskrise, in der sich das kapitalistische Wirtschaftssystem und dessen Wachstumsfixierung befinden. Bolivien und Ecuador verdienen insofern Hochachtung, als sie aus einer sehr viel unkomfortableren Situation als bei uns die nicht-materiell orientierten Werte des guten Lebens betonen. Umverteilung, Gerechtigkeit und ein höherer Lebensstandard sollen dort niemals von einem Wachstum abhängig sein, das auf Kosten der Natur geht.

 

Gut Leben auf gut deutsch: Enquetekommission

Das BIP sagt nicht, wer welches Stück vom Kuchen bekommt. Foto: H.G. Vogel/pixelio.de

Weltweit dringt mittlerweile die Erkenntnis durch, dass man den Zustand einer Gesellschaft nicht nur anhand ökonomischer Faktoren bewerten sollte. Das Brutto-Inlandsprodukt misst eben nur die Menge der erwirtschafteten Güter, aber weder ihr Zustandekommen noch die Verteilung. Völlig außen vor bleibt dabei, wie es der Bevölkerung geht im Hinblick auf Gesundheit, Bildung, politische und soziale Teilhabe. Aufgrund dieser Defizite beziehen zum Beispiel die Vereinten Nationen in ihrem jährlichen Ländervergleich „Human Development Index“  das Bildungsniveau und die Lebenserwartung (als Indikator für Gesundheit, Ernährung, Hygiene) ein.

Der Deutsche Bundestag griff das Thema auf, indem er Anfang 2011 die Bundestagsenquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ einrichtete. Sie soll einen neuen, ganzheitlichen Wohlstands- und Fortschrittsindikator erarbeiten, der neben ökonomischen auch soziale und ökologische Kriterien berücksichtigt, z.B. Bildungschancen, gesellschaftliche Teilhabe, Gesundheit, Zustand der Umwelt und Umgang mit begrenzten natürlichen Ressourcen.

Das was Bolivien und Ecuador also als konkrete Rechte in ihren Verfassungen verankern, sind bei uns immerhin Untersuchungsfelder von Enquete-Kommissionen. Bis zum Ende dieser Legislaturperiode soll die Enquete-Kommission an die Bundesregierung berichten. Mit Spannung darf man erwarten, ob sie sich auf  Handlungsempfehlungen einigen kann, ob ein auch nur partieller Bewusstseinswandel erkennbar wird und, wenn ja, ob sich eine deutsche Bundesregierung daran in irgendeiner Weise orientieren wird.

 

Fazit

Was man unter dem „guten Leben“ versteht, welchen Stellenwert man ihm bemisst, darüber entscheiden maßgeblich die Kultur und das Milieu, in dem man sich bewegt. Was zum Beispiel in Bolivien und Ecuador als „Madre tierra“ verehrt wird, formuliert der Deutsche etwas spröder als „Nachhaltigkeit“. Im weitesten Sinne meinen beide Begriffe den Umweltschutz, die Implikationen sind allerdings unterschiedlich –hier Ressourcenschonung anhand intelligenter Technologien, dort Respekt vor dem Urzustand der Natur.

Doch es gibt auch Gemeinsamkeiten über die Erdkugel hinweg: Gut zu leben bedeutet, gut zu sich und gut zu anderen zu sein. Dazu bedarf es der individuellen Mündigkeit, politischer Rechte und sozialer Fairness. Ein gutes Leben ist außerdem auf eine dauerhaft intakte Natur angewiesen. Überall gilt: Glück und Zufriedenheit der Menschen nähren sich nur bedingt aus materiellen Faktoren. Neben „Haben“ geht es vielmehr auch um „Tun“, aus dem das „Sein“ resultiert.

„Gut zu leben bedeutet, gut zu sich und gut zu anderen zu sein. Dazu bedarf es der individuellen Mündigkeit, politischer Rechte und sozialer Fairness.“

Auch die Feinde des guten Lebens scheinen weltweit die gleichen zu sein: Etwa das Wachstumsparadigma „höher, schneller, weiter“, das einhergeht mit massivem Ressourcenverbrauch und das die Menschen dazu verleitet, sich allzu sehr den wirtschaftlichen Belangen anzupassen: Einerseits indem sie sich – oft freilich aus purer wirtschaftlicher Notwendigkeit – in der Erwerbsarbeit bis zur Erschöpfung verausgaben, andererseits indem sie ihr Glück ausschließlich im Konsum suchen.

Gut zu leben ist eine Tätigkeit, kein Status, und es wäre schade darum, es als Fernziel in die Zukunft zu vertagen. Nach den Ergebnissen der Glücksforschung zählen nicht die egoistischen, besitzorientierten Menschen zu den zufriedensten, sondern diejenigen, die glückliche Beziehungen zu ihren Mitmenschen pflegen, sinnerfüllte Tätigkeiten haben und über Freiräume verfügen. Dieses Ergebnis verlangt womöglich, Begriffe wie „Karriere“ und „Wohlstand“ umzudeuten. Als Belohnung winken dafür mehr Freiheit und mehr Selbstentfaltung.

Annette Floren

© 2013 Die Zweite Aufklärung

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4 Comments

  1. HenningM
    5. Februar 2013 at 04:16 — Antworten

    Vielleicht eignet sich zur Bestimmung dessen, was uns glücklich(9er) macht, ja der indirekte Weg …? Ich stieß neulich auf das Buch einer australischen Krankenschwester, in dem sie Sterbenden fragte: Was bereuen Sie am meisten, getan bzw. nicht getan zu haben? Wenn man sich an den Aussagen der Todgeweihten orientiert – ich glaube, es werden dann 5 Kategorien erstellt – und sein eigenes Leben danach abcheckt, dann könnte es ggf. eine richtige Verbesserung hin zum zufriedeneren Dasein geben.

  2. Commandante
    18. März 2013 at 23:43 — Antworten

    Alles schön und eben gut! Aber ein bisschen Luxus darf es auch sein. Die Lustfeindlichkeit in der Linken ist immer wieder frappierend. Venceremos! Euer Commandante

  3. Frank Schulze
    12. August 2013 at 20:14 — Antworten

    Die Ergebnisse der Wissenschaft orientieren sich am Durchschnitt. Der Durchschnittswert hat denn Vorteil oft richtig zu sein. Das heißt aus vielen Antworten werden die am häufigsten genannanten als richtig eingestuft. Allerdings hat diese Arbeitsweise bei dem einzelnen Menschen einen massiven Fehler. Jeder einzelne Mensch hat seinen ganz persönlichen Lebensweg und auch ganz persönliche Höhen und Tiefen. Werden alle diese Ecken und Kanten glatt gebügelt, dann wird der Tod praktisch vorweggenommen. Auch die Ideallinie der Glücksforscher ist nur ein Ideal und somit dem Tod geweiht.
    Mir scheint es so, dass es am besten ist wenn man seine Themen erkennt und diese im Rahmen seiner Möglichkeiten lebt. Das ist bei genauer Betrachtung erstaunlich oft möglich und ergibt den Spannungsbogen den wir in guten Filmen so gerne miterleben.
    Kurzum: Es geht nicht um mehr oder besser sondern um das passende Leben. Und das ergibt sich meist von ganz alleine.

  4. Andreas Schütz
    23. Februar 2015 at 16:44 — Antworten

    Dass ein gutes Leben im Spannungsfeld zwischen eigenen Bedürfnissen und Wünschen und der ethischen Verantwortung für andere Menschen zu suchen ist, denke ich auch. Und ich finde es gut, dass auch hier erwähnt wird, dass das kapitalistisches Wachstumsparadigma viel Leid in die Welt bringt. Denn es scheint, dass in diesem Punkt Aufklärung notwendig ist, halten doch immer noch viele Menschen das gegenwärtige System für das bestmögliche oder zumindest für nicht notwendig änderbar.

    Was mir zu denken gibt, ist, ob ich wirklich Ergebnisse der „Glücksforschung“ brauche, um zu erkennen, was für mich persönlich wichtig ist im Leben. Drohen absolutierte Vorgaben nicht ggf. sogar, mein eigenes Denken zu unterminieren, nach dem Motto: Folge der Wissenschaft vom Glück, sonst droht dir Unglück?

    Dennoch: Den Gedanken, dass zwischenmenschliche Beziehungen entscheidend sind, teile ich. Und dass mehr Geld nicht mehr Glück bedeutet, ganz sicher auch!

    Vermisst habe ich in dem Artikel die Erwähnung Erich Fromms, dessen Name ich gleich mit der Überschrift des Artikels assoziiert habe. Sein Werk „Haben oder Sein“ geht wirklich in die Tiefe und veranschaulicht, in welchen Aspekten des täglichen Lebens und des Denkens sich beide Existenzweisen ausdrücken.

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